Wieder ein zweigeteiltes Deutschland? – Ein Kommentar zu den Bundestagswahlergebnissen 2025 und dem Erfolg der AfD in den „alten“ und „neuen“ Bundesländern
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So sieht die Wahllandschaft in Gesamtdeutschland aus (Blau: die Gebiete der früheren DDR und Erststimmen für die AfD). |
Ich rede von 36% (Zweitstimmen) der wahlberechtigten Bürger, die in den fünf „neuen“ Bundesländern der BRD bei der Bundestagswahl 2025 AfD gewählt haben.
Sie wählen eine Partei, die vollmundig die „Rettung Deutschlands“ mit populistischen Schlagworten verspricht, aber bei genauerer Prüfung keine praktikablen oder wirksame Lösungen für die Besorgnisse der Unzufriedenen hat - und bei Verwirklichung ihres Programms würden sich die Lebensverhältnisse der meisten verschlechtern.
Die AfD hat vor allem Erfolg bei Wählern, die Migranten als Bedrohung sehen und sich in ihrem Sicherheitsgefühl durch islamistische Anschläge von Migranten verunsichert sind.
Die radikalen Vorschläge („Remigration“) der Partei in der Migrationsfrage haben im Zusammenhang der rechtlichen und europäischen Verpflichtungen Deutschlands wenig Aussicht auf Verwirklichung und würden sich zumindest wirtschaftlich negativ auswirken.
Untersuchungen zeigen, dass beim Thema Migration „chronische Fehlwahrnehmungen“ von Privatpersonen, aber auch im öffentlichen Bereich und im politischen Diskurs vorliegen. Einwanderer und die Folgen der Einwanderung werden falsch eingeschätzt, auch ihre Auswirkung auf die innere Sicherheit von Gesellschaften. Eine neuere Untersuchung belegt:
„Flucht-)Migration hat keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität im Aufnahmeland.“
Zumindest vor Ort steigert Zuwanderung in der Regel nicht die Kriminalität. Das Risiko für kriminelles Verhalten von Migranten lässt sich nach Aussage der Autoren eher mit Integrationsmaßnahmen als mit harten Strafandrohungen reduzieren. Im übrigen wird bei bei einem einseitigen Blick auf die Kriminalität von Migranten unterschlagen, dass die überwiegende Zahl von Straftaten von deutschen Tätern begangen wird.
Islamistische Anschläge wie jetzt vor der Wahl sind schlimm, aber es sind Sonderfälle, die auch durch eine verschärfte Migrationspolitik nicht gänzlich zu verhindern sind.
Ich vergesse nicht, dass auch in den „alten“ Bundesländern 17% der Zweitstimmen an die AfD gingen und in den „neuen“ weit mehr als die Hälfte nicht AfD gewählt hat. Aber der Unterschied zwischen beiden Teilen Deutschlands ist doch groß (zumal wenn man die Erststimmen in den früheren DDR-Gebieten noch einbezieht und bedenkt, dass die meisten Direktmandate in diesen Ländern der AfD zufielen).
Ist die hohe Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in der BRD berechtigt – oder liegt es an einer überprüfenswerten, besonderen „Mentalität“ der Menschen in den früheren DDR-Gebieten?
Ein Wirtschaftsfachman (Rüdiger Pohl), der es wissen muss, sagt:
„Die Lebensbedingungen im Osten sind heute denen im Westen gleich. Im Rechtswesen, Informationssystem (freie Presse, keine Zensur), Bildungssystem, in der medizinischen Versorgung, im Kulturangebot – nirgendwo ist der Osten im Nachteil. Die Verkehrsinfrastruktur ist in Ost und West vergleichbar, ebenfalls die Qualität von Wohnraum, das Angebot von Konsumgütern. Die Standards im Umweltschutz unterscheiden sich nicht mehr. Das alles sind Belege für die inzwischen erreichte Gleichwertigkeit … Der Wiederaufbau des Ostens hat erreicht, was erreicht werden konnte.“
Strukturelle Unterschiede in den Regionen, Mängel in den Systemen, Armut, Arbeitslosigkeit, Benachteiligungen, gibt es auch im „Westen“ genügend.
Die Regierungen der BRD und der „alten“ Bundesländer und mit ihnen ihre Bürger haben riesige Transferleistungen für den „Aufbau Ost“ aufgebracht ( „Institut für Wirtschaftsforschung Halle“: 1,2 Billionen Euro), unter anderem durch Steuererhöhungen; durch die Einzahlungen der West-Bürger waren höhere Durchschnittsrenten in den Ostländern als im Westen möglich. Auch diese Bürger sind mit ihrem Staat, mit seinen Regierungen nicht immer zufrieden, auch hier gibt es Mängel und Unsicherheiten, aber die Mehrheit möchte diesen Staat in seiner Verfassung beibehalten und wünscht Verbesserungen, aber nicht, dass seine Grundlagen von Ultrarechten (und anderen Extremisten) ausgehöhlt oder beseitigt werden.
Es verwundert nicht, dass sich die Stimmen mehren, die fordern, den Beitritt der ehemaligen DDR-Länder wieder rückgängig zu machen:
„Alle AfD-Wähler rüber nach Ostdeutschland, alle Nicht-AfD-Wähler rüber nach Westdeutschland. Anschließend beide Länder wieder trennen, die AfD kann dann in Ruhe mit ihren Wählern Ostdeutschland in den Abgrund führen und wir können in Ruhe ohne Id… [folgt ein Schimpfwort, das ich nicht teile] leben.“ (X-Zitat)
Das kann nicht die Lösung der neuen Spaltung Deutschlands sein, aber es ist auch nicht einzusehen, dass die AfD und ihre Anhänger in einigen Bundesländern ganz Deutschland in ihren anti-demokratischen und reaktionären Sog ziehen. Auch wenn viele AfD-Wähler dies nicht so sehen, sie sollten bedenken, was sie in Gang setzen.
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