Corona - das Virus diskutiert nicht. Eine dokumentarische und persönliche Chronik des Coronageschehens
"... Ein Virus diskutiert nicht. Ein Virus hat keine Meinung. Ein Virus kümmert sich nicht um Deine oder meine Meinung. Ein Virus lebt nach eigener Naturgetzmäßigkeit! Ein Virus kann nicht von alleine reisen. Ein Virus braucht dazu Dich und mich. Ein Virus macht krank - Dich und mich. Ein Virus tötet unter Umständen - vielleicht Dich oder mich.
Also lamentiere nicht, sondern benutze Deinen Verstand! Tue das Notwendige und schütze Dich und mich und andere!"
(Aus einer Leserzuschrift an die "Goslarer Zeitung" vom 27.10.2020)
So ist die Lage... [am 06.11.2020 / Fortlaufende Aktualisierungen in den "Nachträgen", auch im Ursprungstext wurden Ergänzungen eingefügt. Mit einem Rückblick am 19.07.2022.
Die Herbstferien 2020 sind vorbei, mit ihnen die Lockerungen und der Leichtsinn. An diesem Halloween-Wochenende - Reformations- oder Heiligengedenken ist nur noch bei wenigen angesagt - wird noch einmal in Bars und privat gefeiert - Sperrstunden sind ja von Gerichten gekippt worden - es werden Gaststätten besucht und Ausflugsziele angesteuert. Und dann geht´s in die verordnete Abstinenz, mit oder ohne Virus: Maskenpflicht nicht nur in Geschäften und bei Veranstaltungen, auch auf belebten Straßen und Plätzen; Restaurants, Museen, Theater, Kinos, Sportstätten und Bordelle geschlossen, private Treffen zuhause und in der Öffentlichkeit massiv eingeschränkt, die schon geplante Spät-Urlaubreise an die Ostsee fällt ins Wasser. Soll man es witzig finden, dass in die verseuchten Ferienregionen Österreichs, Frankreichs, Spaniens oder Italiens ausgewichen werden könnte (sofern man bereit ist bei der Rückkehr Quarantäne und Test in Kauf zu nehmen)? Oder wenn nun Urlaubssüchtige auf die nicht mehr als Risikogebiet geltenden kanarischen Inseln fliegen, um eventuell dort das Virus wieder einzuschleusen? (Der ab Mitte November verlangte Test bei der Einreise ist ja nur ein Momentaufnahme.)
Das SARS-CoV-2-Virus hat uns im Griff und vermiest uns ganz schön das Leben. Oder ist es die "Corona-Diktatur" derer "da oben", wie manche meinen? Wir fragen uns besorgt: wohin soll das führen, was kommt noch auf uns zu, privat, gesellschaftlich, was sollen wir darüber denken, wie uns verhalten?
Schauen wir einmal zurück
Im letzten Jahr, 2019, sind wir noch nichts ahnend, was im folgenden Jahr auf uns zukommen würde, unseren Beschäftigungen und Vergnügungen nachgegangen. Sicher, die Zeitläufte waren in mancher Hinsicht beunruhigend. Vieles war schlimm, einiges konnte optimistisch stimmen. Je nach Einstellung und Sichtweise hielten es die einen mit einem Titel der FAZ: "Empört Euch und habt Hoffnung" (29.08.2019) oder verspürten noch "Grund zur Hoffnung für die Erde" (dw.com/02.09.2019), andere sahen dagegen die "Apokalypse" unabwendbar heraufziehen.
Im privaten Bereich mögen sich manche unter uns beeinträchtigt gefühlt haben. Aber seien wir ehrlich: wenn es uns nicht ganz schlecht ging, sind wir doch der Überzeugung gewesen, dass es trotz aller beunruhigenden politisch-gesellschaftlicher Entwicklungen oder persönlicher Einschränkungen so mit uns weitergehen würde wie bisher, von mehr oder weniger leidlich bis gut. Sicher: wir wissen, jederzeit kann uns ein Unglück, ein Unfall, eine Krankheit oder gar der Tod überkommen. Doch wenn wir nicht direkt davon betroffen sind, denken wir: "Mich wird es schon nicht treffen - oder wenigstens nicht so schnell." Solcher Optimismus ist in Ordnung, wenn er nicht zur Realitätsblindheit und -verkennung führt, denn ohne ihn ist unsere physische und psychische Gesundheit bedroht.
Auch im gesellschaftlich-politischen Bereich dachten die meisten von uns "wir in Deutschland werden es schon schaffen". Die Regierungskoalition tat einiges zur Verbesserung in sozialer Hinsicht, Schritte zur Schaffung "gleichwertiger Lebensverhältnisse" in ganz Deutschland wurden unternommen, Weichen zur Verbesserung der Klimabilanz gestellt, gegen die Bedrohung der Demokratie durch Antidemokraten gibt es viel Widerstand in der Bevölkerung, die deutsche Wirtschaft wuchs seit 10 Jahren kontinuierlich, wenn auch 2019 in abgeschwächter Weise. Für das Jahr 2020 prognostizierte der deutsche "Sachverständigenrat Wirtschaft" immerhin noch eine Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts um 1,7%, einen kräftigen Anstieg des Lohnentwicklung, der Beschäftigung und ein Absinken der Arbeitslosenquote auf 4,6%. Trotz allem Lamentieren mancher Bevölkerungsteile ging es den meisten Deutschen zureichend bis gut. Man klagt auf hohem Niveau, aber dass es schlechter sein oder kommen könnte, damit rechnete man ernsthaft nicht, in persönlicher Hinsicht nicht und auch nicht im Blick auf die Gesamtwirtschaft.
Und dann trat das Unvorhergesehene ein ...
Ende des Jahres 2019 erreichten uns Nachrichten, dass in China eine unbekannte Lungenkrankheit auftrete. Als Ursache wurde bis zum 7. Januar 2020 durch chinesische Wissenschaftler (im "Virologischen Institut von Wuhan") mittels moderner molekularbiologischer Verfahren ein "neuartiges" Corona-Virus identifiziert, das man "Sars-(n)CoV-2" nennt (übersetzt: "Schweres akutes Atemwegssyndrom-neues Corona-Virus-2" - inzwischen hat man auch Varianten des Virus entdeckt). Das Genom dieses Virus zeigt eine enge Verwandschaft zum "ersten" Sars Virus (Sars-CoV 1), das sich 2002 - auch von China ausgehend, zunächst über Krankenhäuser, Hotels und Flugreisen - in aller Welt verbreitete.
An den Folgen der von diesem Virus ausgelösten Krankheit starben Hunderte von Menschen (800-900 Tote weltweit). (Deutschland kam bei dieser Pandemie mit neun "importierten" Fällen ohne Todesfolge glimpflich weg.) 2004 war diese "Pandemie" durch die ergriffenen Kontrollmaßnahmen (Quarantäne, "Lockdowns", Reisewarnungen, Desinfektionen) eingedämmt.
Beide Viren gehören zur "Sippschaft" der schon früher bekannten Corona-Viren. Wie durch das Elektronenmikroskop ermöglichte Aufnahmen zeigen, fallen die kugelförmigen Viren durch einen Kranz blütenblattartiger Fortsätze ("Spikes") auf, die an eine Sonnenkorona erinnern ("Corona" lat. "Krone"). Mit den Spikes verbinden sich die Viren mit Zellen von Lebewesen, in die sie eingedrungen sind.
SARS-CoV-2-Viren - durch ein Elektronenmikroskop auf einem Bildschirm sichtbar gemacht (koloriert) - Größe des Virus 80-140 Nanometer/ Millionstel mm (Quelle: |
Corona Viren gelangen über Kontakt mit und Genuss von Tieren, meist Wildtieren, (Fledermäuse, Schuppentiere, Larvenroller-Schleichkatze, Vögel u.a.) auf Menschen. Das Sars-CoV-2-Virus nahm wahrscheinlich seinen Weg in die Menschenwelt über die Wildtiervermarktung in Wuhan/Südchina. Inzwischen hat China Wildtiermärkte vorläufig verboten.
[Ergänzung am 21.02.2021: Bei der Frage nach dem Ursprung der Pandemie steht die "Wildtiemarkt-" der "Laborunfall-"These gegenüber. Letztere hat durch eine "Studie" des Hamburger Physikers Roland Wiesendanger neue Aufmersamkeit gefunden. Näheres dazu in den "Nachträgen" unter dem Eintrag vom 21.02.2021]
In erster Linie wird das Virus durch Tröpfchen übertragen, die auch in der Atemluft enthalten sein können. Viren sind keine selbständigen Lebewesen, sie brauchen Wirtszellen, um länger zu existieren und sich fortzupflanzen. Corona Viren finden mit Hilfe ihres "Spike-Proteins" über ein im Körper vorhandenes Enzym (Proteinmolekül - ACE2) Eingang in menschliche Zellen. Das Virus baut die Wirtszelle um, macht sie zur "Virenfabrik" und läßt sie schließlich absterben.
Corona Viren verursachen unter anderen Erkältungskrankheiten. Die von dem Virus Sars-CoV-2 verursachte Krankheit wird Covid-19 ("Corona Virus Disease/Krankheit 2019") genannt. In einem am 12. März 2020 veröffentlichten medizinischen Fachartikel lese ich über die zu Beginn der Epidemie auftretenden Symptome:
Aufgrund der Identifikation der ersten Fälle über ein Surveillance-System für Pneumonien [Überwachungssystem für Lungenentzündungen] unbekannter Ätiologie [Ursache] wurden zunächst schwere Verläufe beobachtet. Als initiale Symptome [Anfangssymptome] zeigten sich vor allem grippeartige Symptome wie Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen und Verwirrtheit. 90 % der Patienten zeigten mehr als ein Symptom. Röntgenologisch zeigten sich vor allem bilaterale [beidseitige] Pneumonien mit Milchglasphänomenen [weiße Einsprengsel im Lungengewebe]. Besonders schwere Infektionen mit der Entwicklung eines ARDS [Akutes Lungenversagen] und der Notwendigkeit zur intensivmedizinischen Betreuung wurden vor allem bei Männern mit chronischen Vorerkrankungen oder einer Raucheranamnese beobachtet. Im Verlauf der Epidemie zeigten sich aber zunehmend auch sehr milde bzw. asymptomatische Verläufe und eine Angleichung des Anteils beider Geschlechter bei den Infizierten. Die Rate an schweren Infektionen betrug ca. 13 % ..., die Letalität [Sterblichkeit] ca. 0,5–1 %, in Regionen mit sehr hohen Fallzahlen und schweren Verläufen (z. B. Wuhan, Norditalien) jedoch 3–4 %.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7117085/
Hier der Bericht von einem der ersten Erkrankten in Deutschland
Das Virus geht um
Dagmar J. : "2020" (Öl auf Leinwand) - weitere Bilder von D .J : Dagmars Bildergalerie |
Am 3. Januar 2020 liefern "chinesische Beamte der WHO [Weltgesundheitsorganisation] Informationen über einen in Wuhan identifizierten Cluster [Ballung] von Fällen 'viraler Lungenentzündung unbekannter Ursache'."
(Aktualisierte Fassung der WHO-Corona-Chronologie vom 27. April 2020). Am 9. Januar wird der erste erfasste Todesfall von China gemeldet.
Zunächst hatten chinesische Behörden versucht, Nachrichten über den Ausbruch der Krankheit zu unterdrücken. Man leugnete die Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch und nahm eine Übertragung durch Tiere an. Diese These ließ sich aber nicht halten. Am 25. Januar meldet China 1300 Infizierte und 43 Tote im Zusammenhang mit der Virus-Erkrankung. Am 20. Februar gab es nach offiziellen Angaben 75.465 Covid-19 Fälle, davon 55.954 laborbestätigt, bei diesen 2.114 Todesfälle (3,8%). Nachdem die Zahlen sprunghaft angewachsen waren, sah sich die Regierung (ab dem 23. Januar) genötigt, betroffene Städte und Gebiete abzuriegeln und Einwohner in Quarantäne zu setzen.
Inzwischen ist das Virus durch Reisende außerhalb Chinas getragen worden und in Europa angelangt. Bereits im November 2019 gab es in Frankreich Verdachtsfälle. Als allererster europäischer bisher nachgewiesener Fall erkrankte Anfang Dezember im Elsass ein Patient an
Covid-19, wie man durch nachträgliche Lungenaufnahmen
feststellte. Am 27. Januar gibt es den ersten Fall in Deutschland. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg hat sich während einer Schulung bei einer chinesischen Kollegin angesteckt. Am 30. Januar erklärt die WHO die "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite", sieht aber die Bedingung für eine "Pandemie" noch nicht erfüllt (eine weitreichende Verbreitung auf mindestens zwei Kontinenten). Doch Anfang Februar entwickelt sich die Krankheit von einer "Epidemie" in begrenzten Regionen (China, Asien) zur weltweiten "Pandemie" mit Tausenden Infizierter (6. Februar: 28.200 erfasste Fälle, in Deutschland 13). Am 15. Februar gibt es den ersten Todesfall in Europa, ein 80-jähriger Franzose, der China bereist hatte. Am 20.02. wird der erste Covid-19-Patient Italiens ins Krankenhaus von Codogno (Lombardei) eingeliefert (er galt bis zur Entdeckung des französischen Erkrankten als erster europäischer Fall). Ihm folgen 10 weitere Patienten. In dem Ort wird sofort eine "rote Zone" eingerichtet. Am 22.02. wird der erste Todesfall Italiens gemeldet. In der Folge breitet sich das Virus rasch in Norditalien, dann in ganz Italien aus; Städte werden abgeriegelt, Unternehmen und Schulen geschlossen, Veranstaltungen abgesagt. Erschütternde Bilder erreichen die Welt.
Was geschieht in Deutschland?
In Deutschland nimmt man die Gefahr zunächst auf die leichte Schulter. Fachleute, Politiker und die meisten Menschen glauben nicht, dass Deutschland so betroffen werden könnte wie China. Am 28.01. warnt zwar der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, Christian Drosten, in einem Interview der "tagesschau.de": "Es könnte eine Pandemie auf uns zukommen", meint aber dann: "für den normalen Bürger, der sich fragt, ob er sich im Alltag infizieren kann, gibt es im Moment keinen Grund zur Sorge." Das "Robert-Koch-Institut" (RKI), die "selbstständige deutsche Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten", bezeichnet das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland am 28.02. zunächst als „gering bis mäßig". Auch Gesundheitsminister Spahn sieht das "Risiko in Deutschland weiterhin als gering" an. Am 3.02. betrachtet Spahn Deutschland für einen etwaigen Anstieg der Coronavirus-Infektionen als gut gerüstet.
Ich erinnere mich, dass wir damals ein Video von Freunden zugeschickt bekamen, in dem dieser Einschätzung widersprochen wurde. Der Autor ging davon aus, dass sich das Virus auch in Deutschland massiv ausbreiten würde und riet, sich darauf einzustellen, etwa durch Kauf von Masken und Desinfektionsmitteln. Wir folgten diesem Rat und hatten die Mittel bereit, als sie nirgends mehr zu erhalten waren. Freunde, denen wir das Video weiterleiteten, unter ihnen Mediziner, teilten uns mit, wir seien auf eines der zu dieser Zeit bereits umlaufenden "Fake-Videos" hereingefallen. Die Warnungen seien nicht ernst zu nehmen.
Der anfängliche offizielle Optimismus änderte sich bald. Das Virus kümmerte sich nicht um menschliche Einschätzungen und Meinungen. Es enfaltete auch bei uns seine eigene Dynamik.
Die ersten bekannt gewordenen Infektionen in Deutschland gab es Ende Januar bei Mitarbeitern der Pkw-Zulieferungsfirma Sebasto in Oberbayern. Ausgangspunkt war eine aus Shanghai angereiste chinesische Kollegin. Anfang Februar wurde bei aus Wuhan evakuierten Deutschen das SARS-CoV-2-Virus festgestellt. Ende Februar tritt die Covid-19-Pandemie mit vergleichsweise hohen Fallzahlen im Kreis Heinsberg auf. Karnevalsveranstaltungen, die im Gegensatz zu Venedig in Deutschland keinen Einschränkungen unterlagen, hatten zur Ausbreitung geführt.
Anfang März wächst die Zahl der Infizierten in verschiedenen Bundesländern, Städten und Landkreisen rasch an. Im Blick darauf sagte ich eine groß angelegte Feier in einem Gasthaus zu meinem 80. Geburtstag ab. Die meisten der Eingeladenen verstanden das, einige hielten das für übertrieben.
Bis zum 27.03 hatte das Virus alle deutschen Bundesländer erreicht. Bundesweit waren am 31.03. 79.318 Infektionen bekannt, das ist immerhin die Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt. Wenn auch ein Teil der Infektionen nicht zu schweren Krankheitserscheinungen führte, steckte in dieser Zahl ein weiteres Verbreitungspotential.
Verlaufskurve der gemeldeten Covid-19-Infektionen von März bis Ende Oktober 2020 (Quelle: Google nach Wikipedia: Covid-19-Pandemie in Deutschland/Statistik) |
Auffällig in der ersten Kurve ist der Rückgang der Infektionen ab Mitte April. Es legt sich nahe, dass dies durch die von der Bundesregierung beschlossenen Restriktionen und Schutzmaßnahmen und dem den Anordungen und Empfehlungen folgenden Verhalten der Bevölkerung zuzuschreiben ist. Trotz der Lockerungen blieb die Infektionsrate zunächst niedrig und damit auch die Verbreitung des Virus. Bei einem R-Wert unter 1 (Reproduktionszahl - gibt die Zahl an, wieviel andere Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt) sinkt die Zahl der Neuinfizierten, bei einem R-Wert über 1 steigt sie exponenziell an, d.h. sie vervielfacht sich in steigendem Maße. Ende Juli nimmt die Zahl der entdeckten Neuinfizierten langsam zu, um dann Anfang Oktober drastisch in die Höhe zu steigen. Dies dürfte in erster Linie auf zunehmende Sorglosigkeit beim Zusammentreffen von Menschen, Ferienreisen, Feiern, dem exponentiellen Wachstum der Ansteckungen und wohl auch auf mehr Testungen zurückzuführen sein.
Wie zu erwarten zeigt das zweite Bild einen Höhepunkt der mit Covid-19 zusammenhängenden Todesfälle im April. In diesem Zeitraum zeichnet sich auch eine "Übersterblichkeit" ab, d.h. es wurde eine höhere Sterblichkeit gegenüber den Vorjahren festgestellt. In der Kalenderwoche vom 6. bis 12. April war die Abweichung mit 14 % über dem vierjährigen Durchschnitt am größten. Auch die Zahl der Covid-19-Todesfälle, die beim RKI gemeldet werden, erreichte in dieser Woche ihren Höchststand. In einer Pressemitteilung vom 29. Mai 2020 informierte das Statistische Bundesamt (DeStatis), dass im April 2020 nach vorläufigen Auswertungen 82.246 Menschen in Deutschland gestorben seien. Diese Zahl übertreffe den Monatsdurchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 für den April um 5.942, das sind 8 %. Ob dies ausschließlich auf Sterblichkeit mit oder an Covid-19 zurückzuführen ist, kann bezweifelt werden, nicht aber ein starker Zusammenhang mit den Corona-Erkrankungen. Dass die coronabedingten Todesfälle im Herbst trotz höherer Infektionszahlen bisher nicht so hoch stiegen wie im Frühjahr, dürfte auf einen größeren Anteil jüngerer Infizierter und Fortschritte in der medizinischen Behandlung zurückzuführen sein.
In beiden Kurven wird die "Dunkelziffer" nicht abgebildet, d. h. die Zahl der unerkannten oder nicht gemeldeten Infektionen mit nicht auffälligem, aber dennoch ansteckungsfähigem Verlauf, ebenso die mit Corona zusammenhängenden Sterbefälle, die nicht als solche erkannt wurden.
Hier eine Ergänzung der beiden Kurven. Diese Kurve zeigt die Zahl der im Okt. bis 15. Nov. auf Intensivstationen versorgten Covid-19- Patienten in deutschen Krankenhäusern. (Quelle: "Zeit Online" 11.11.20)
Die Regierung greift ein - Restriktionen kommen
Am 22. März ergriffen Bund und Länder einschneidende Maßnahmen. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder einigten sich auf eine zeitlich begrenzte, umfassende „Beschränkung sozialer Kontakte“. Der sogenannte Lockdown trat ein: Empfehlung einer Reduzierung räumlicher Nähe und Bewegung auf das Notwendigste, im öffentlichen Raum Einhaltung eines Mindestabstandes vorgeschrieben, Aufenthalt nur zu zweit oder mit Angehörigen des Hausstandes erlaubt, Verbot von Versammlungen, Veranstaltungen, Gruppentreffen und Feiern im öffentlichen und privatem Raum, Schließung von Schulen und Kinderbetreuungsstätten, Gaststätten, bestimmten Dienstleistungsbetrieben und Geschäften, Besuchsverbot in Altenheimen, Hygiene- und Schutzmaßnahmen in Betrieben erforderlich. Zuwiderhandlungen sollen durch Ordnungämter und Polizei sanktioniert werden. Eine Empfehlung zum Tragen von Masken im öffentlichen Verkehr und in Geschäften wurde erst am 15. April ausgesprochen und Ende April vorgeschrieben. Diese "Beschlüsse" sind quasi Rechtsverordnungen, da sie für die Bürger bindend sind.
Ihre rechtliche Grundlage beruht auf dem "Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz/IfSG" von 2001 (später ergänzt) und dem vom Bundestag am 25. März beschlossenen, inzwischen in dritter Fassung vorliegenden "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite." Das Grundgesetz schützt nicht nur die "Freiheit der Person", sondern auch das Recht "auf Leben und körperliche Unversehrtheit". Die Bundesregierung hat damit nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht für die Gesundheit der Bürger, zu sorgen. In die Grundrechte der "Freiheit" und des "Rechtes auf Leben ..." "darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden." Das Infektionsschutzgesetz und das "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung ..." ermöglichen der Exekutive im Falle einer "bedrohlichen übertragbaren Krankheit" und einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" in bestimmten, durch die Gesetze festgelegten Fällen eine zeitweilige Einschränkung oder Aufhebung von Grundrechten; das letzte Gesetz räumt im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite dem Gesundheitsministerium weitgehende Kompetenzen im Gesundheitswesen ein und die Möglichkeit Anordnungen und Rechtsverordnungen für diesen Bereich zu erlassen. Auch dem RKI wird eine weitreichende Rolle zugemessen: Es kann Mitteilungen zur Lage und Empfehlungen abgeben, es soll die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen den Ländern sowie weiteren beteiligten Stellen und Ämtern koordinieren. Das IfSG (Infektionsschutzgesetz) wird derzeit auf die neue Lagen hin konkretisiert und ermöglicht der Regierung rasches und rechtlich abgesichertes Handeln. [Inzwischen verabschiedet und in Kraft gesetzt.]
Der Bundestag entscheidet über den Eintritt und das Nichtmehrbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Bis zur Aufhebung der Lage kann die Regierung geeignete Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung durch Rechtsverordnungen, Anordnungen und Empfehlungen treffen, soweit sie nicht schon durch das IfSG festgelegt sind. Den Ländern obliegt es, diese Bestimmungen umzusetzen und untergeordnete Stellen, z.B. Gesundheitsämter, mit ihrer Durchführung zu betrauen. Dies impliziert Verwaltungsakte. Somit können Verwaltungsgerichte der Länder über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen entscheiden. Verfassungsrechtliche Fragen liegen aber außerhalb der Kompetenz von Verwaltungsgerichten. Sie urteilen, ob eine Anordnung entsprechend den Gesetzen oder Rechtsverordnungen der Länder (mit eventueller Beschränkung oder Aussetzung von Grundrechten) korrekt angewendet wurde.
[Es ist eine grundsätzliche Verkennung der Aufgaben des Parlaments und der Regierung, wenn eine Mitwirkung des Parlaments bei der Festlegung der durch die entsprechenden Gesetze gedeckten konkreten Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung durch die Regierung gefordert wird. Diese Festlegung ist die Aufgabe der Exekutive, der Regierung. Das Parlament ist nicht die Exekutive! Das Parlament hat die Möglichkeit der Kontrolle der Regierung durch Anfragen und Debatte.]
Der "Lockdown" (besser "Shutdown") war ein starker Eingriff in das bisherige Alltagsleben und Gewohnheiten der Menschen. Familien mit Kindern und Ältere in Alten- und Pflegeheimen waren besonders stark betroffen. Nie war es in den Städten und Straßen so ruhig gewesen wie in dieser Zeit. Auch für das Geschäftsleben, die Wirtschaft, die Berufstätigkeit hatte er einschneidende Folgen. Trotzdem (er)trug die große Mehrheit der Bevölkerung die Maßnahmen. Die durch die Bedrohung des Virus geschaffene Unsicherheit, der Blick auf die katastrophalen Verhältnisse in Italien und Spanien erzeugte eine Welle des solidarischen Verhaltens und der Besinnung. Das Virus ließ gesellschaftliche Mißstände offenbar werden: Mängel in Krankenhäusern, Altenheimen, der medizinischen Versorgung, der Hygiene in Schlachthöfen, bei der Unterbringung von Gastarbeitern und Migranten, die Wohnsituation in sozial schwierigen Stadtteilen ... Auch die Problematik der weltweiten Mobilität und der wirtschaftlichen Vernetzung wurde sichtbar.
Manche Kommentatoren sahen schon einen Paradigmenwechsel in der Lebensorientierung und im Alltagsverhalten voraus: hin zu mehr Rücksichtnahme und Solidarität, Abkehr von Hektik, ausufernder Mobilität und übertriebenem Konsumverhalten, Hinwendung zur inneren Einkehr, stärkere Wahrnehmung der gesellschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen ... Ich war da skeptisch und hielt das für voreilig. Ich halte es mit Kant, der sagte:
Aus so krummen Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.
(Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784, Sechster Satz)
Folge der Lockerungen: Sorglosigkeit
Aufgrund der stark gesunkenen Infektionszahlen wurden ab Anfang Mai schrittweise Lockerungen eingeführt. Zunehmend erhielten die Länder und regionale Einrichtungen mehr Verantwortung, um auf regionale und lokale Entwicklungen flexibel reagieren zu können und da Lockerungen oder wieder Einschränkungen zu beschließen ("Hotspot-Strategie"). Unter Hygiene- und anderen Auflagen durften Geschäfte und Kultureinrichtungen wieder öffnen, Gottesdienste und Kulturveranstaltungen stattfinden, Besuchsbeschränkungen in Kliniken und Pflegeheimen wurden gelockert, Sport unter freiem Himmel konnte wie gewohnt stattfinden, Spielplätze, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen wurden unter Beschränkungen erneut zugänglich gemacht, Reisewarnungen aufgehoben, Demonstrationen erlaubt. Das Gebot des Mindestabstandes im öffentlichen Raum und die Maskenpflicht in Geschäften, Verkehrsmitteln und bestimmtem Einrichtungen bleiben bestehen. Im Juni werden die Kontaktbeschränkungen in der Öffentlichkeit gelockert (bis Ende Juni nur Treffen bis 10 Personen oder Angehörige zweier Haushalte erlaubt). In den einzelnen Ländern gab es schließlich unterschiedliche Regelungen, was von vielen als verwirrend empfunden wurde.
Als Grundregelung für den Alltag in Coronazeiten bildet sich die AHA+L+A-Formel heraus:
Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen sowie regelmäßiges Lüften und die Corona-Warn-App nutzen!
Die Menschen werden unterdessen sorgloser, gleichgültiger oder ungehaltener; Nichtbeachtung der Vorschriften und Empfehlungen, Proteste und Demonstrationen gegen die staatlichen Corona-Regelungen, - die schon im April begonnen hatten - mehren sich. Im Internet kursieren nicht belegbare Erzählungen über den Ursprung des Virus, wissenschaftlich nicht haltbare Behauptungen über die Art des Virus, fragwürdige Ratschläge zur Vorbeugung und Heilung der Krankheit, verharmlosende Bewertung des Infektionsgeschehens und der Infektionsfolgen, Spekulationen über geheime Ziele des weltweiten und nationalen Krisenmanagements werden verbreitet. Kreise, die an der Zerstörung der gesellschaftlich-politischen Ordnung interessiert sind, nutzen die Situation aus und streuen gezielt Falschinterpretationen oder -meldungen aus, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben. Die noch nicht weit fortgeschrittene und sich verändernde Forschungslage, mangelnde Informiertheit, Unklarheit über angemessene Verhaltensweisen, reale oder diffuse Befürchtungen leisten der Entstehung von säkularen "Corona-Mythen" Vorschub, kurzen oder längeren Erzähl-Gebilden zum Virus und seinen Zusammenhängen, mit selektivem oder gar keinem Zutreffensgehalt. Sie setzen sich in den Köpfen fest und sind nur schwer wieder aufzulösen. Misstrauen gegenüber den Maßnahmen und ihre Urheber, Drohungen gegen Politiker und Wissenschaftler, die sich für Schutzmaßnahmen aussprechen, sind die Folge dieser Tendenzen.
Persönliche Beobachtungen
In den Ferienzeiten scheint für viele Menschen die Gefahr einer Covid-19-Infektion und -erkrankung keine Rolle mehr zu spielen. Wir wohnen in einer Stadt am Harzrand. In den Sommer- und Herbstferien strömten Massen von Touristen in den Harz. In den Fußgängerzonen der Orte flanierten die Menschen dicht an dicht, oft in größeren Gruppen ohne den Mindestabstand einzuhalten, vor den Kassen der Attraktionen drängten sich Schlangen, auch wieder ohne Abstandswahrung, meist ohne Masken, auf Wanderwegen bewegten sich von 10, 20 Leuten ohne jede Sicherheitsvorkehrung, in Gaststätten traf man sich in Familien- und Freundesgruppen eng an eng, diskutierte laut, umarmte sich bei der Begrüßung und beim Abschied ... Noch im Oktober, als die Infektionen und Erkrankungen wieder massiv stiegen, sahen wir eine Gruppe von älteren Ausflüglern, also "Risikopersonen", in großen Pferdekutschen ohne Masken - oder die Masken unters Kinn gezogen - eng beieinandersitzen. Im Garten der veranstaltetenden Bauern- und Waldgaststätte bediente das Personal ohne Maske, die Gäste standen an der Bestelltheke auch ohne Masken und Abstandswahrung. Wir fragten uns: haben diese Menschen nicht die Berichte und Bilder von schwer Erkrankten gelesen oder gesehen, wissen sie nicht, wie leicht man sich anstecken kann, meinen sie, Ansteckung oder schwerer Krankheitsverlauf könne sie nicht treffen, kennen sie die Regeln und Empfehlungen nicht, ist es Ignoranz, Dummheit, Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit oder Widerspruch, was sie bewegt? Wir fragten uns auch, was hat es denn für einen Sinn, "wegen Corona" auf einen Auslandsaufenthalt zu verzichten, um hier in deutschen Feriengebieten alle Schutzmaßnahmen außer acht zu lassen.
Dagmar J. : "Ignoranz" (Öl auf Leinwand) |
Was tun? - Selbstverantwortung!
Uns standen oft die Haare zu Berge. Wir beschlossen, für uns zu sorgen, verzichteten auf gewohnte Wege, auf Veranstaltungen, mieden Menschenansammlungen, reduzierten Besuche und Einladungen auf ein Minimum, trafen uns nur noch hin und wieder im engsten Familienkreis oder paarweise mit Freunden und gingen Einkaufen, wenn die Geschäfte leer waren. Wir sind der Meinung, wir können durchaus für die Zeit der Covid-19-Gefahr auf gewohnte Annehmlichkeiten und Vergnügungen verzichten, um die Risiken zu minimieren. Wir gehören zur älteren Generation, haben aber - so Gott will und unsere körperlich-psychische Verfassung das zuläßt - noch viel vor in unserem Leben und wollen es nicht an der Beatmungsmaschine beenden (wenn man uns überhaupt noch daran läßt). Es gibt viele Möglichkeiten, um sich auch unter den Restriktionen das Leben schön zu machen, kreative und unterhaltsame Tätigkeiten, Pflege von Hobbys zu Hause, im Familienkreis, kleine Feste zu zweit, mit den Kindern, sportliche und gesundheitsfördernde Übungen im Freien, Spaziergänge auf einsamen Wegen, "Video-Treffen" und Telefonate mit Angehörigen, Freunden, Enkeln ... und schließlich gibt es manche aufgeschobene Vorhaben, an die man jetzt gehen kann.
Wir leben im beruflichen "Ruhestand". Da besteht die Gefahr sich gehenzulassen. Wir strukturierten unseren Tag und die Woche auf weniger "Außenveranstaltungen" hin: morgens Körperübungen, Gassi-Gehen mit dem Hund, dann ausgiebiges Frühstück, Zeitunglesen, danach Arbeit am Computer, Geschäftliches erledigen oder Haushaltstätigkeiten usw.; am Montag ist zusätzlich Chi-Gong-Tag, am Dienstag Wandertag usw. Natürlich fällt uns der Verzicht auf manches nicht leicht: Einladungen hin und her, Konzerte, Theater, Museen, weitere Ausflüge ... aber lebensnotwendig ist das alles für uns nicht.
Längerer Verzicht und Umstellung auf weniger außenoriertierte Tätigkeiten fällt in unserer mobil-, konsum- und spaßorientierten Gesellschaft wohl vielen schwer, dabei wäre die "Corona-Krise" eine Chance zum Entdecken neuer Möglichkeiten und anderer Orientierungen. Zum Teil geschieht das aber: die jungen Familien, die jetzt mit Kindern im Harz wandern und die Natur entdecken, sind etwas Neues - und eine Gelegenheit für Gespräche über Geschichte, Tiere, Pflanzen, Geologie, Bergbau und Umweltschäden. Künstler, Gastwirte und Hoteliers entwickeln alternative Möglichkeiten wie digitale Auftritte, Außer-Hausverkauf, Dauervermietung, um wenigsten einen Teil der Ausfälle wieder hereinzufahren. Hier im Harz hatten Restaurants und Hotels in diesem Sommer meist eine Super-Saison und die Betreiber hatten sowieso vor, im November zu schließen oder Urlaub zu machen.
Folgen der Sorglosigkeit: Anstieg der Infektionen
Es kam, wie wir es erwartet haben. Während und in den Ferienzeiten stiegen die Infektionszahlen, die Erkrankungen und die Todesfälle wieder rasant an. Heute am 05.11. meldet das RKi 19.990 Neuinfektionen gegenüber dem Vortag und 118 neue Todesfälle, die die Gesundheitsämter Deutschlands an das RKI gemeldet haben. Tendenz rasch steigend. Insgesamt wurden dem RKI in Deutschland bisher 597.583 laborbestätigte Covid-19-Fälle - das sind ca. 0,72 % der deutschen Bevölkerung - und 10.930 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet - das sind 3,35 % der Fälle. Bei den Infektionen fällt der Großteil auf 15-59-jährige, bei den 35-59-jährigen ist der Anteil am größten, Männer und Frauen sind in dieser Gruppe gleichermaßen betroffen. Dies sind nur die erfassten Fälle, wobei damit befasste Forscher in Deutschland von einer Dunkelziffer von etwa dem Doppelten ausgehen.
Jetzt kommen die Verleugner und Verharmloser
Jedenfalls: zu sagen das Sars-Cov-2-Virus und Covid-19 "gibt es nicht", die medizinisch von Professionellen festgestellten Zahlen seien "Fake-Meldungen", ist Faktenverleugnung.
[Es gibt sie noch, die hartnäckigen Virus-Leugner - auch nach einem Jahr Covid-19 in Deutschland: "Weder das originale Virus noch das Mutierte konnten sie jemals im Labor nachweisen, es sind alles computergenerierte Bilder, die wir zu sehen bekommen!" So A. H. in "Telegram" am 30.01.21. Die Aussage ist in eine abenteuerliche Verschwörungs-Phantasie des Vegan-Apostels, kreativen Küchenmeisters und erfolgreichen Kochbuchautors eingebettet. Wer´s immer noch nicht glaubt oder skeptisch ist, ob es die Corona-Virus-Sippe gibt, aber bereit ist, sich zu informieren und dabei ein bißchen Fachsprache zu entschlüsseln, möge diese Forschungszusammenfassung lesen.
Botschaft an A.H. (gesendet am 31.01.21): Hallo A.! Ich lese in Deinem Telegram-Account: "Jeder Mensch hat die Wahl, ob er sich gegen die Wahrheit stellt oder sie schützt." Dann bestreitest Du die Existenz des Sars-Cov-2-Virus und erklärst die Bilder als Fälschung. Wie wär´s denn mit dieser Lektüre (Link oben)? Du hast doch Physik studiert - da müsstest Du den Text verstehen können! Ich kann Dir auch gerne erklären, wie die Aufnahmen der Sars-Cov-2-Viren zustandegekommen sind! Du kannst Dir das aber auch authentischer von einem Mitglied des Forschungsteams "Elektronenmikroskopie" des Paul-Ehrlich-Instituts oder einem Mitarbeiter des Labors "Elektronenmikroskopie" des Robert Koch Instituts in Berlin erläutern lassen. Einem prominenten Menschen wie Dir gewährt man sicher Einblick. Oder willst Du weiter den Kopf in den Sand stecken - was ja bekanntlich nicht einmal der Vogel Strauß tut? Schöne Grüße! Dein Kochbuch-Fan Lobo-W-J]
Man kann natürlich alles verleugnen, was nicht in das eigene Weltbild passt und sich so die Welt zurechtzimmern, wie man sie gerne hätte (das "Pippi-Langstrumpf-Syndrom"!), aber das hilft auf die Dauer nicht. Es endet spätestens dann, wenn einen die Realität einholt und man selbst oder Nahestehende an Covid-19 darniederliegen. Vielleicht hört die Verleugnung oder Bagatellisierung erst dann auf, wenn wie in manchen Gegenden Italiens und Spaniens nahezu in jeder Familie Covid-19-Opfer zu beklagen sind.
Vielleicht ist es verständlich, wenn Menschen meinen, die Neuartigkeit des Virus und der Bedrohung relativieren zu können, indem sie das Geschehen in bekannte Krankheitsverläufe einordnen. Doch der Vergleich mit der Grippe und den Grippewellen der vergangenen Jahre ist schief, wenn man behauptet Corona sei "nicht schlimmer" als Grippe und die Zahl der Grippetoten jedes Jahr nicht höher als die der Covid-19-Opfer. Zunächst einmal ist zu sagen, dass die Zahl der Grippetoten in den vergangenen Jahren nur geschätzt wurde, die der Covid-19-Toten aber dokumentiert wird und sich fortsetzt. Die oft zitierte Zahl von 25.000 Grippetoten in der besonders stark betroffenen Saison 2017/18 beruht auf Schätzungen. Die Zahl der "laborbestätigten" Influenza-Infektionen mit Todesfolge, die an das RKI gemeldet wurde, betrug 1.674. Dies gibt sicher nicht die faktische Zahl wieder, aber genaue Zahlen gibt es nicht. Und was wichtiger ist: über Grippeviren weiß man mehr als über die Sars-Viren, es gibt mehr Erfahrungen und Behandlungsmöglichkeiten, es stehen immer wieder aktualisierte Impfungen zur Verfügung und die Grippewellen der letzten Jahre laufen regelmäßig im Frühsommer aus. Das trifft nun alles leider auf Covid-19 nicht zu.
Es ist aber müssig, sich über das Ausmaß und die Gefährlichkeit von Grippe-oder Covid-19-Erkrankungen zu streiten, beide sind bedrohlich und können tödlich enden. Im Falle eine Grippe-Pandemie wie bei der "Spanischen Grippe" 1918-1920 müssten Regierungen genauso mit Restriktionen reagieren wie heute bei der Covid-19-Pandemie, was sie auch damals massiv getan haben. Studien zeigten, dass frühzeitige "nicht pharmazeutische Interventionen" wie Quarantänemaßnahmen, Schulschließungen, das Verbot von Massenveranstaltungen und die Vorschrift Mund-Nasen-Schutz zu tragen die Todesrate in amerikanischen Großstädten um bis zu 50 % senkt.
[Der thailändisch-deutsche Mikrobiologe und Epidemiologe Prof. Dr. Sucharit Bahkdi und seine Frau, die Biochemikerin Prof. Dr. Karina Reiß, haben in ihrem im Mai 2020 geschriebenen Buch-Bestseller "Corona Fehlalarm?" dem Argument, Sars-Cov-2 sei nicht gefährlicher als eine leichte oder mittelschwere Grippe, dank ihres fachlichen Renommees scheinbare wissenschaftliche Reputation verliehen. Auf Wunsch von Lesern gehe ich im "Anhang" auf Thesen des Ehepaares ein.]
Auch der Streit um das Maskentragen ist müßig
Auch der Streit um das Maskentragen ist eigentlich müßig. Es gibt verständlicherweise hier noch wenig fundierte, breite und verläßliche Untersuchungen, einige konstatieren die Nichtwirksamkeit, die Mehrheit der damit befassten Wissenschaftler geht aber davon aus, dass richtig getragene und verwendete medizinische Masken, wie sie Ärzte und Klinikpersonal seit langem tragen, mindestens die Gefahr andere anzustecken verringern, wahrscheinlich auch einen gewissen Selbstschutz bieten, FFP2- oder FFP3-Masken (mit CE-Zertifizierungsnummer - ohne Ausatemventil!) aber sowohl das Risiko der Fremd- als auch der Selbstansteckung minimieren. Richtig wirksam ist der Atemschutz allerdings erst, wenn auch die übrigen AHA-Regeln beachtet werden. Auch wenn die Wirksamkeit der Masken noch wissenschaftlich umstritten ist, sollte man sie schon aus Vorsicht und Rücksichtnahme in Situationen tragen, wo man mit vielen Menschen oder Unbekannten zusammenkommt. Die eigenen möglichweise virenhaltigen Aerosole und die anderer sind ja sehr weitreichend und insbesondere in Räumen verdichten sie sich und schweben längere Zeit in der Luft.
[Ergänzung am 09.12.2020: Dass geeignete Masken eine wichtige Rolle für den Eigenschutz und die Eindämmung der Virus-Verbreitung spielen, bestätigt sich immer mehr. In einem Artikel der FAZ.Net wird auf diesbezügliche Studien hingewiesen und konstatiert:
Nach anfänglich widersprüchlichen Empfehlungen scheint heute klar: Masken schützen, und zwar nicht nur das Umfeld des Maskenträgers, sondern bei gut abschließenden Masken mit hoher Filtereffizienz auch den Träger selbst.
Eine für meine Leser wahrscheinlich nützliche Recherche - Vorsicht! : Viele der im Online-Handel angebotenen FFP2-"Partikelfiltrierenden Masken" stammen aus China und sind mit einer CE-Zertifizierungnummer aus der Türkei (CE 2163) oder europäischen Randgebieten versehen, ohne dass dies deutlich aus der Produktbeschreibung hervorgeht. Neben einer gültigen CE-Nummer und der Herstellerbezeichnung sollten die Masken auch die Angabe der europäischen Norm EN 149:2001+A1:2009 aufgedruckt tragen. Die in Deutschland hergestellten und zertifizierten Masken (z. B. Dekra: 0158) werden oft unverhältnismäßig teuer angeboten. Es lohnt sich ein breiter Vergleich! Die Zertifizierungstellen lassen sich im Nando-Verzeichnis der Europäischen Kommission feststellen. Produktwarnungen hier.
Es wäre dringend zu fordern, dass den Maskenpackungen eine EU-Konformitäterklärung in deutscher Sprache beiliegt. Rechtlich vorgeschrieben ist, dass zumindest eine Internetadresse angegegeben wird unter der auf die Konformitätserklärung zugegriffen werden kann (EU 216/425 Art. 8, Abs. 8). Anleitung zur Überprüfung einer CE-Zertfizierung hier (eine Empfehlung der Firma ist damit nicht verbunden).
Zu den Gesichtsmasken-Arten und ihrer Verwendung siehe die Angaben des "Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte" ( BfArM) ]
Die Masken-Gegner weisen oft auf Schweden hin, wo es keine Maskenpflicht und wenig Restriktionen gibt. Man setzt da statt auf Restriktionen auf das Ende der Infektionen durch "Herdenimmunität" (welch schreckliches Wort!). Dieses Konzept wird mit hohen Todeszahlen erkauft, ist inhuman und illusionär. Befunde haben erbracht, dass es keine Garantie auf dauernde Immunität gibt, auch nicht durch eine Impfung, genauso wenig wie bei der Grippeimpfung.
Der massive Protest gegen Masken auf den "Querdenken"-Demonstrationen scheint mir unangemessen, wenn man von "Einschränkung der persönlichen Freiheit" und "Corona-Diktatur" spricht Es gibt wahrhaftig wichtigere Mißstände in unserer Gesellschaft, gegen die man protestieren könnte, als die kleinen Beschwernisse durch das Maskentragen (es gibt da manche nicht haltbare Behauptungen über ihre angebliche Schädlichkeit). Ich habe den Eindruck, dass der Protest gegen die Maske ein Aufhänger ist, um seine Staatsverdrossenheit, seine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie, sein Misstrauen und seine Unzufriedenheit gegenüber der Regierung, ihrer Politik, den offiziell anerkannten Wissenschaften und den seriös arbeitenden Medien auszudrücken. Von "Corona-Diktatur" zu sprechen ist angesichts der zu spät eingesetzten und zeitweilig begrenzten Restriktionen, den zu früh mit Rücksicht auf die Wirtschaft und Betroffene ausgesprochenen Lockerungen, dem Bemühen um Schadensbegrenzungen, dem Streit um die angemessenen Maßnahmen auch bei den Verantwortlichen, der Aufhebung von Maßnahmen durch Gerichte sehr übertrieben. Was eine Diktatur ist, kann man derzeit in Belarus beobachten, wo Demonstrationen brutal unterdrückt werden. Die Demonstrationen der Masken- und Restriktionsgegener tragen dazu bei, das Virus zu verbreiten - und sind kontraproduktiv, weil sie autoritäre Maßnahmen als notwendig erscheinen lassen. "Freiheit" ist nicht demokratisch, wenn sie nicht auf andere Rücksicht nimmt. Das fordert auch das Grundgesetz, auf das man sich bei diesen Demonstrationen beruft:
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (Art.2,1)
Dazu ein interessanter in 3sat erschienener Kurz-Filmbeitrag:
Hegel, der Weltgeist, die Freiheit und die Querdenker
Die Coronakrise - eine weltweite Verschwörung?
Es müsste zu denken geben, dass gerade autoritäre Machthaber die Gefahren von "Corona" leugnen oder herunterspielen. In dieses Linie passt auch, dass die AfD und Rechtsextreme, die nicht gerade dafür bekannt sind, einen libertären Staat errichten zu wollen, sich zum Fürsprecher für "Freiheit" und Grundgesetz machen.
Die Mutmaßung über eine geheime Absicht der gewählten und wieder abwählbaren deutschen Regierung und anderer Regierungen, mittels der "Corona-Krise", unterstützt von Wirtschaftkreisen und den regierungshörigen "Mainstream-Medien", eine Diktatur hierzulande, europaweit oder gar weltweit zu errichten, ist unwahrscheinlich und unbelegbar. [Entsprechende zeitlich terminierte "Voraussagen" des Eintretens durch einige "Querdenker" haben sich inzwischen nicht bewahrheitet.] Dass im längerem Gebrauch von Ausnahmeregelungen Gefahren liegen und Fehlentwicklungen eintreten können, will ich nicht bestreiten. Sollte das kommen, rechne ich mit dem Widerstand der demokratischen Kräfte hierzulande, europaweit, weltweit. Wie soll das auch geschehen, dass all die verschiedenen Regierungen, Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsleute, Journalisten insgeheim an einem Strang ziehen, um die Menschen zu desinformieren und zu unterwerfen?
ich verstehe es, wenn Menschen durch die Bedrohung durch Covid-19, mit der damit einhergehenden Berichterstattung in den Medien, den wechselnden Maßnahmen und Empfehlungen der Politik, der noch wenig fortgeschrittenen Forschungslage, den defizitären Behandlungsmöglichkeiten verunsichert sind und Ängste entwickeln. Mir geht es ja genauso. Und wen beschleicht nicht das Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber dem für uns im Alltag unauffälligen, unberechenbaren, stringend naturhaft ablaufenden Wirken des Virus? Die winzige, auf unsere Wirtszellen angewiesene, einfache "organische Struktur" hat ihr eigenes Programm, sie übernimmt - harmlos als Protein getarnt - mit ihrem Genom die Kontrolle über das Zellprogramm von uns entwickelten, so "bedeutenden" Wesen, verhält sich nicht nach unserer Logik, nach unseren Maßstäben, entzieht sich unserem Zugriff. Für uns normal Betroffene - nicht für die naturwissenschaftliche Sichtweise und die virologisch-medizinische Forschung - ist das Virus ein kaum fassliches, "irrationales", irritierendes Phänomen. Es bricht störend, geradezu beleidigend für uns Menschen - die wir die Natur immer mehr unterwerfen und viele Krankheiten besiegt haben - in unser gewohntes Leben ein. Und für uns, die wir meinten, hierzulande einigermaßen gesichert leben zu können, ist das wohl besonders schwer zu ertragen.
Wer weiß, ob einen die empfohlenen und verordneten Schutzmaßnahmen schützen? Überall lauert der unsichtbare Feind und kann zuschlagen. Der beste Freund kann ein "Superspreader" sein!
Es ist eine probate Methode, alles, was stört, beunruhigt, in Frage stellt, erst einmal wegzudrücken! Da kommen Mitteilungen gerade recht, die die Gefahr bagatellisieren oder gar leugnen. Es entlastet, wenn man hört:
"Es ist alles gar nicht so schlimm, die und die wollen euch nur Angst machen, um ihre Ziele zu erreichen."
Einfache Erklärungen scheinen das komplizierte Geflecht der Geschehnisse durchschauber zu machen, Sündenböcke lassen die Wahrnehmung der eigenen Anteile vermeiden. Enthüllungen, die vorgeben, die erlösende "Wahrheit" an den Tag zu bringen, fallen auf fruchtbaren Boden. Hinweisen auf ins Konzept passende, geheimnisvolle "Fakten", die angeblich von "volksveräterischen" Politikern, gekauften "Mainstream"- Journalisten und -Wissenschaftlern unterschlagen werden, wird gerne Glauben geschenkt. Merkel, Spahn, Drosten, Bill Gates sind die "Schuldigen"! Trump, der die Gefahr herunterspielt und vom verborgenen "Deep State" mit seinen finsteren Machenschaften spricht, ist der "Erlöser"! [Auch da ist mit dem Abtritt des ehemaligen Präsidenten die Erfüllung ausgeblieben.] Egal, ob die parlamentarisch beschlossenen Gesetze die zeitliche Begrenzung von Eingriffen in Grundrechte nur in festgelegten Ausnahmesituationen vorsehen, man spricht von Einführung einer "Diktatur", egal ob der verantwortliche Minister eine Impfpflicht ablehnt, man redet von "Impfzwang". Internet und soziale Medien machen die Verbreitung solcher unbelegten "News" leicht. Manchen, deren berufliche oder geschäftliche Existenzgrundlage bedroht ist und die dagegen ankämpfen, kommen solche Ideen-Emotions-Cluster zu Passe. Verständlich dass man an den Konstrukten festhält und alles, was dem widerspricht, abwehrt. Man ist ja auch nicht alleine; wie das Virus wachsen die Anhänger dieser Erzählungen exponentiell. Man gehört dann zu der Gruppe der "Wissenden", denen die Masse der Betrogenen und Verblendeten gegenübersteht.
Es macht mich hellhörig, wenn ich von Anti-Corona-Maßnahmen-Anhängern höre: "Wacht endlich auf!" Diesem Motto haben sich in frühchristlichen Zeiten Gnostiker verschrieben. Auch da hat man sich in bedrängten Zeiten mit Schwarz-Weiß-Denken die Verhältnisse durchaubar gemacht , sah die Welt von betrügerischen finsteren Mächten beherrscht, erhoffte sich Befreiung durch "geheimes Wissen" und folgte heilsversprechenden "Erlösern". Sektiererische Kreise haben das in allen Zeiten fortgeführt. Man glaubt, die rettende Wahrheit gefunden haben, die die verführte und unwissende Mehrheit nicht erkennt. Der quasi-religiöse Charakter der mythenhaften Erzählungen eines Teils der Querdenken-Bewegung trägt zur Hartnäckigkeit und Intoleranz bei, mit der die Überzeugungen vertreten werden.
Außenseiter und abweichende Ideen haben oft zu Veränderungen und Fortschritten in Gesellschaften, Geistesleben und Wissenschaften geführt. Das war aber nur konstruktiv, wenn sich sich die Nonkonformisten dem gesellschaftlichen, geistigen und wissenschaftlichen Meinungsstreit gestellt haben. Dies trifft auf die meisten der Corona-Leugner und Restriktionen-Gegner nicht zu. Sie verweigern sich der offenen Diskussion, den Regeln des wissenschaftlichen Diskurses und der demokratischen Auseinandersetzung. Sie beharren auf nicht belegbaren, irrationalen oder widerlegten Annahmen und sind nicht bereit sie zu revidieren. Echte "Querdenker" wissen, dass Erkenntnisse veränderlich sind und Erkenntnisprozesse offen bleiben müssen.
Wir erleben, das Corona-Leugner und Restriktionsgegner mit Beschimpfungen und Beleidigungen ragieren, wenn sie mit gegenteiligen Ansichten und Erkenntnissen konfrontiert werden. Am Rande ihrer Kundgebungen gibt es Tätlichkeiten gegen Polizisten, die für die Einhaltung von Auflagen sorgen sollen, Journalisten, die kritische Fragen stellen und Andersdenkende, die sich ihnen entgegenstellen. (Wenn es zu Gegengewalt und Intoleranz auf der Gegenseite kommt, ist das ebenfalls nicht zu rechtfertigen.) Dass Corona-Leugner und Restriktionsgegner ihre Ansichten vertreten können, vom Recht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen und Gerichte ihnen das einräumen, ist im Rahmen unserer Verfassung und Rechtssystems möglich - und spricht gegen Diktatur-Behauptungen. Man kann aber verlangen, dass die Demonstrierenden, wenn sie diese Rechte in Anspruch nehmen, sich an rechtliche Regeln und Auflagen halten - schon mit Rücksicht auf andere.
Demokratische Gesellschaften sind auf einen gemeinsamen Grundbestand an Übereinkünften, Werten, Verhaltensweisen und Erkenntnissen angewiesen. Auch ein Mindestmaß an Vertrauen in die Arbeit der Verantwortungsträger ist notwendig. Ist das nicht mehr gegeben, dann fällt die Gesellschaft auseinander. Von Grundannahmen abgesehen, muss das, was gilt, immer wieder in einem offenen Prozess ausgehandelt werden, auf allen Ebenen, der Bevölkerung, dem Parlament, der Regierung, den Institutionen, den Medien - und dies auf friedfertige und respektvolle Art und Weise.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (Art.1 Grundgesetz)
heißt es am Anfang des Grundgesetzes - das ist nicht nur ein Recht der Bürger, sondern auch eine Verpflichtung für sie. Verweigert sich ein maßgeblicher Teil des Systems den Grundannahmen und den vorgesehenen Aushandlungsprozessen mit ihren Regeln, dann sind die Regulierungsmaßnahmen für das Bestehen und Wohlergehen einer Gesellschaft gestört oder greifen nicht mehr. In dieser Hinsicht sind Bewegungen wie die der Corona-Maßnahmen-Gegner - wie sie sich faktisch darstellen - eine Gefahr, zumal sich in ihrer Gefolgschaft Kreise befinden, die offen Demokratiefeindlichkeit und Rassismus vertreten.
Links zu Bildern der Querdenken-Demo am 7. November in Leipzig
und Erlebnisberichten von angegriffenen Journalisten.
[Inzwischen ist es durch eine Studie untermauert, dass die Anti-Corona-Maßnamen-Demos in Berlin und Leipzig Superspreader-Events waren. Richter, die meinen solche Veranstaltungen zulassen zu müssen, machen sich an den Folgen mitschuldig!]
Leute - möchte ich den Corona-Nonkonformisten zurufen - denkt mal nach, bemüht euren Verstand, die Logik und eure Kritikfähigkeit. Fallt nicht auf krude und destruktive Botschaften von Außenseitern, Apokalyptikern und Demokratiefeinden herein! Es ist gut, wenn ihr nicht alles glaubt, aber informiert euch nicht nur einseitig und macht euch die Mühe, rational zu prüfen, was man an euch heranträgt. Es gibt genug Möglichkeiten, um "Faktenchecks" zu machen.
Ich mache Euch einen Vorschlag: Unterhaltet Euch mit Ärzten oder Krankenschwestern, die es mit Covid-19-Erkrankten zu tun haben. Oder macht ein Praktikum in einem Krankenhaus und nehmt die Mühen und das Elend wahr, die das Virus hervorruft. Und wenn ihr dann immer noch eure abweichenden Meinungen vertreten wollt, dann respektiert wenigstens die vielen anderen, für die das Virus eine Bedrohung darstellt und nehmt Rücksicht auf sie!
Hier ein kleines Video für Corona-Leugner.
[Ergänzung zur Querdenken-Initiative: Inzwischen sind die immer noch sehr unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen gut vernetzt und organisiert, ihre Führungsriege bemüht sich um gemeinsame Grundlinien. Man betont den bürgernahen, demokratischen und freiheitlichen Charakter der Bewegung, grenzt sich von Gewalt und Extremismus ab, sucht den Dialog und nähert sich sogar der "ZeroCovid"-Initiative. Wie weit die Teilnehmer an den Aktionen diese Basis teilen, ist allerdings eine Frage. Wenn "Querdenken" sich zur Stimme der Anti-Corona-Maßnahmen-Opfer macht und auf Gefahren hinweist, die die Einschränkungen der Grundrechte mit sich bringen, ist das akzeptabel. Doch nach wie vor werden auf Schildern - neben bejahenswert-allgemeinen Schlagworten ("Frieden, Freiheit") - fragwürdige Parolen mitgeführt ("Corona-Diktatur"), faktenverleugnende Positionen verbreitet,("Corona-/Impf-Lüge"), herabsetzende Unterstellungen bei Politikern, Wissenschaftlern, Pressevertretern vorgenommen, unangemessene Vergleiche gezogen ("Ermächtigungsgesetz"/ "Gleichschaltung"/Verfolgungssituation wie in der Hitler-Diktatur / "Merkels DDR" / u.a.), krasse Zukunftsvisionen beschworen und ein exklusiver, sektiererischer Wahrheitsanspruch vertreten. Auch Hygienemaßnahmen werden vielfach mißachtet, obwohl die Organisatoren auf sie hinweisen. (Hier der Link zur YouTube-Aufzeichnung einer Aktion am 13.11.2020 in Hannover)]
Wie kommen wir aus der Krise?
Wenn man nicht voreingenommen oder uninformiert ist, wird man einräumen, dass unsere Regierung bei ihren Maßnahmen zur Corona-Krise auf Konsens bedacht ist und innerhalb der rechtlichen Grundlagen sowie der im verfassungsmäßigen Rahmen der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen Entscheidungsprozesse agiert. Dies wird den Umfragen zufolge auch von der Mehrheit der Bevölkerung bejaht, wobei ein Teil meint - und mit ihnen kompetente Wissenschaftler - dass die Maßnahmen noch strikter sein könnten und konsequenter durchgesetzt werden müssten, um effektiv zu sein. Man hätte die Ausbreitung des Virus wohl längst begrenzen können, wenn man von Anfang an strikte Maßnahmen ergriffen hätte und wenn alle Bürger sich auf die Dauer disziplinert und solidarisch verhalten hätten. Weltweit gesehen ist Deutschland kein "Erfolgsmodell" im Corona-Krisenmanagement; nicht nur autoritär regierte asiatische Länder, sondern auch Demokratien wie Australien [Beleg im "Anhang" unter 20.01.2021] und Neuseeland waren da erfolgreicher und haben gezeigt, dass sich das Virus mit großflächigen Testungen, konsequenter digitaler Kontaktverfolgung, strengen Quarantänemaßnahmen, umfassenden Reisebeschränkungen und diszipliniertem Verhalten der Bevölkerung erfolgreich eindämmen läßt. Es zeigte sich dort auch, dass auf einen niedrigen Stand gebrachte Infektionszahlen für die Wirtschaft günstiger sind als ständig erneuerte und inkonsequente Shutdowns.
Hinweis am 14.01.21: In einem Artikel bei t-online beschreiben Fachleute, mit welcher Strategie wir - vor allem die Regierenden - "die Corona-Zahlen auf Null drücken" können und sollten. Es ist höchste Zeit, dass die Verantwortlichen die Erfahrungen in anderen Ländern zur Kenntnis nehmen!
Es liegt nicht nur, aber entscheidend am Verhalten des Einzelnen, also jedem von uns. Wenn weiter so viele die nötige Sorgfalt außer acht lassen, werden die Infektionszahlen, Erkrankungs- und Todesfälle weiter steigen und müssen wir uns noch lange Zeit auf einen ständigen Wechsel von Lockdowns und Lockerungen gefasst machen. Weitgehend auf Empfehlungen und Freiwilligkeit zu setzen wäre illusorisch. Leider sind nach meiner Einschätzung 15 bis 20 % unserer Bevölkerung auf ihre soziale Verantwortung nicht ansprechbar; es wird also nichts anderes übrigbleiben, als zu Maßnahmen und Sanktionen zu greifen, die aber konsequenter als bisher durchgeführt werden müssten.
Hilft Gott den Seinen?
Als Theologe fragt man mich: wie ist dieses schreckliche Virus mit dem Glauben an einen "gütigen" Gott vereinbar? In der Tat steht im Alten Testament:
Wenn du ... den Herrn, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden ... wenn du geängstigst sein wirst und dich das alles treffen wird, so wirst du dich bekehren zu dem Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchen. Denn der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott; er wird dich nicht verlassen noch verderben ... (5. Mose 4, 29-31)
An vielen anderen Stellen heißt es, wenn du die Gebote Gottes befolgst, wirst du aus Bedrängnissen gerettet werden und es wird dir "wohl ergehen".
Das wird nicht nur in christlichen Kirchen gelehrt, sondern auch in Moscheen und Synagogen - im buchstäblichen Sinne zumindest in den "orthodoxen" Richtungen. Da das aber im Leben nicht immer sichtbar wird, verweist man die Gläubigen auf das Jenseits.
In
den Pestzeiten des Mittelalters sah man in der Seuche eine "Strafe"
Gottes wegen der Sünden der Bevölkerung und rief zur Buße auf, was zum
Teil heftige Formen annahm.
Auch angesichts der Covid-19-Pandemie glaubten sich christliche, jüdische und muslimische Fundamentalisten geschützt, wenn sie Gott in ihren Kirchen, Synagogen und Moscheen suchten, intensiver beteten und strenger die Gebote einhielten.
Das
zeigte sich leider nicht als erfolgreich. Das Virus nahm keine
Rücksicht darauf. Vielleicht fanden die Gläubigen innerlich Trost, aber
das schützte sie nicht vor Ansteckung. Auf diese Weise wurden Kirchen, Moscheen und Synagogen zu "Hotspots" der Verbreitung des
Virus. [Inzwischen haben evangelische und katholische Kirchengemeinden gelernt mit der Krise kreativ und achtsam umzugehen. In den Angeboten der evangelischen Kirchengemeinde, der ich angehöre, werden die nötigen Schutzmaßnahmen vorbildlich eingehalten.]
Es heißt also, von der Erwartung eines magisch-wunderhaften Schutzes - die auch schon früher illusorisch war - Abstand nehmen. Eine solche Erwartung ist kindlicher Glaube, der meist an den Realitäten des Lebens zerbricht. Gereifter und "erwachsener" Glaube nimmt die Realitäten der Welt auf sich.
Es ist wohl kaum damit zu rechnen, dass uns "Gott" - oder irgendeine Fügung - wie ein "Deus ex Machina"* durch ein plötzliches Wunder
schlagartig von allen uns auferlegten Schwierigkeiten und Bemühungen
befreit. "Wunder" können durch uns, durch Menschen, geschehen, wie es
die Nachricht spüren lässt - die mich bei Abfassung des Artikels
erreichte - dass ein wirksamer Impfstoff erfolgreich getestet und
zugelassen wurde.
[Seit kurzem ist auch ein antivirales Mittel (MK-4482/EIDD-2801/"Molnupiravir")
in der Testphase, von dem die Entwickler sich versprechen, die Übertragung und die Ausbreitung
des Sars-Cov-2-Virus im Körper komplett und in kurzer Zeit verhindern zu können]
Als "Strafe" sollten wir den Einbruch des Virus nicht sehen - auch das ist eine kindliche Empfindungs- und Sichtweise - aber vielleicht als Anstoß zur Besinnung über unsere Lebensorientierung, unseren Lebensstil und wie wir uns in der Krise verhalten wollen.
Was jetzt von uns als Menschen guten Willens - gläubig oder nicht - erwartet wird, ist, dass wir alle Bemühungen unterstützen, das Virus zu bekämpfen, Menschen zu helfen und zu retten - unsere eigene Person eingeschlossen - kurzum: verlangt werden von uns Vernunft, Empathie, Solidarität, Phantasie - und wohl auch "Umkehr" in manchen Bereichen. Dabei sollten wir die Hoffnung nicht aufgeben. Auf diesem Weg können wir auf göttliche Hilfe hoffen.
*"Deus ex Machina": im antiken Theater schwebte ein Schauspieler mit Maske von einem Kran als göttliche, problemlösende Instanz in das Drama ein.
Dagmar J. : "Lebenskelch" - gemalt in Corona-Zeiten (Öl auf Leinwand) |
Hier endet der Grundartikel, ich führe aber meine "Chronik" weiter.
Nachträge und Fortführung
Themen
"Corona Fehlalarm?" - Zum Buch von Sucharit Bhakdi und Karina Reiß
09.12.2020: Rückblick - Leserzuschrift -
Jahresende: Presseauszüge zur Lage - Persönliche Beobachtungen (Großer Andrang im Harz)
04.01.2021: Was die Corona-Krise offenbar macht
04.01.2021: Schleppender Start der Impfungen
05.01.2021: Die Impfgegner sammeln sich
06.01.2021: Neue strengere Corona-Regeln?
14.01.2021: Leserbrief von mir - „Lasst Menschen glücklich sein“ – eine „Strategie“ gegen das Virus?
20.01.2021: Neue Beschlüsse - alte Regeln verlängert, neue hinzugekommen - Ein Blick nach Australien
28.01.2021: Beginn der Impfterminvergabe in Niedersachsen - chaotische und unprofessionelle Organisation
09.02.2021: Situationsschilderung (Corona-Müdigkeit) - Auf-gelesen (Leserbrief)
12.02.2020: "Impfvordrängler"- Lockdown verlängert - Von Viren und den Umgang mit ihnen
14.02.2021: Melbourne: Corona-Ausbruch in einem Hotel führt zu raschem und entschlossenen Handeln der Regierung
16.02.2021: Wird es wieder ein "normales" Leben geben?
20.02.2021: Erste Impfung - Wirkung
21.02.2021: Diskussion um den Ursprung der Pandemie: "Wildtiermarkt" oder Labor in Wuhan ?
24.02.2021: Corona-Politik am Scheideweg - Opportunismus oder verantwortliches Handeln? (Politische Ethik in der Corona-Krise)
Lockerungen? "Bei der jetzigen Lage spricht alles dagegen, wir machen´s aber trotzdem!" (Motto deutscher Ministerpräsidenten)
26.02.2021: Vorbeugende Mittel gegen Ansteckung
27.02.2021: Schnelltests - die neue Hoffnung? Empfehlungen des RKI zu "Stufenplänen" - wegweisend?
04.03.2021: Der 5-Stufen-Plan der Bundesregierung und der Länder - Ein "Strategiewechsel"?
13.03.2021: Ein Corona-Traum
19.07.2021: Eim Rückblick auf zweieinhalb Jahre Pandemie
"Corona Fehlalarm?" - Zum Buch von Sucharit Bhakdi und Karina Reiß
Das Autoren-Ehepaar (Foto: Selfie - Karina Reiß
Bhakdi
und seine Frau begründen ihre These, "Covid-19 ist nicht gefährlicher als die Influenza" - das ist eine These,
kein
wissenschaftlich sicherer und unumstrittener Befund - mit folgendem: Die
Sterberate bei Covid-19-Infektionen sei statistisch gesehen sehr
gering, sie liege im Bereich einer normalen Grippe; die Betroffenen
würden an ihren Vorerkrankungen
sterben; es gäbe keine statistische Übersterblichkeit durch Covid-19;
die vom RKI angegebenen Infektionszahlen seien irreführed, da nicht
zwischen harmloser Infektion und Erkrankung unterschieden werde; die
meisten Infizierten würden dank der Lymphozythen-Abwehr, also ihrer
Widerstandskraft, die Infektion bewältigen oder seien bereits immun.
Bhakdi hält die Maßnahmen der
Kanzlerin und der deutschen Regierungen für unverhältnismäßig, sie
würden wegen der "Kollateralschäden" bei weitem den Nutzen übersteigen,
er wendet
sich gegen generelle Maskenpflicht, allgemeine Restriktionen,
Massen-Testungen und warnt vor den geplanten Impfungen. Im Spätsommer
erklärte Bhakti die "Epidemie" für beendet. Bhakdi hält das Sars-Cov-2
Virus nicht für harmlos, begrenzt seine Gefährlichkeit aber auf
Vorkrankte, die zu schützen er durchaus für notwendig hält. Überhaupt
argumentiert er, vor allem in späteren Interviews, differenzierter als
die meisten seiner Anhänger, die vor allem seine verharmlosenden
Äußerungen herausgreifen.
Leider
haben sich die Voraussagen Bhakdis zum Pandemie-Verlauf, sein
Herabspielen der Gefährlichkeit des Virus, dessen Unberechenheit und der Todeszahlen nicht bewahrheitet. Den
schon in seinem Buch fraglichen statistischen Werten, auf die er sich beruft, wurde die Grundlage
entzogen, sie haben sich längst in ganz andere Höhen davongemacht. Nach
wissenschaftlichen Kriterien lassen sich inzwischen Teile der prüfbaren Thesen Bhakdis falsifizieren, andere nicht sicher belegen, letzteres z. B. in der Frage von Unsicherheiten und möglichen Nebenwirkungen der geplanten Impfungen. In anderen Fällen interpretiert er Befunde tendenziös-übertrieben oder ignoriert ihm widersprechende Forschungsergebnisse. Um nur einen Punkt zu nennen: Statistische Berechungen deuten darauf hin, dass ein großer Teil der vorerkrankten im Zusammenhang mit Covid-19 Verstorbenen wesentlich länger hätten leben können. Obduktionen haben diesen Befund bestätigt. Sie ergaben, dass die meisten der Covid-19-Opfer mit Vorerkrankungen nicht hauptsächlich ihren bestehenden Leiden erlegen sind, sondern wesentlich oder direkt an den Folgen von Covid-19 starben. Sie haben unter Umständen beträchtliche Lebenszeit verloren, die sie trotz Einschränkungen auf subjektiv lebenswerte Weise hätten verbringen können. Dieser Befund zeigt auch, dass die mit durch Bhagdi üblich gewordene Unterscheidung von "an" oder "mit" Covid-19 verstorben fragwürdig ist.
Die pauschal und provokant formulierten Schlussfolgerungen Bhagdis zum Umgang mit dem Auftreten des Virus stehen auf wackligen Füßen und sind zumindest überholt. Vielleicht ist das der Grund, dass er neuerdings in der Öffentlichkeit verstummt ist.
In
diesem Zusammenhang möchte ich auf bisher nicht beachtete, mögliche thailändische Wurzeln des
Wissenschaftlers aufmerksam machen. In Thailand geht man auf Grund der
religiösen Haltung (Buddhismus) gelassener als bei uns mit Krankheit,
Seuchen und Sterben um. (Im verlinkten Bericht bis zu den "Fünf Betrachtungen" Buddhas hinunterscrollen!) Vielleicht wäre da etwas zu lernen, aber das enthebt uns nicht der Aufgabe der Pandemiebekämpfung.
Bhagdi und seine Frau sind - soweit ich feststellen kann - nicht als Coronaviren-Forscher hervorgetreten. Bhagdis wissenschaftliche Veröffentlichungen beziehen sich vor allem auf Zellfunktionen, Bakterientätigkeit, Infektionsgeschehen, Immunitätsbildung und die Entstehung von Atheriosklerose. Karina Reiß befasst sich ebenfalls mit Zellforschung, vor allem dem Einfluss von bestimmtem Proteinen auf Zellen, regulierenden, störungsauslösenden oder -verhindernden Faktoren bzw. Vorgängen in der Zellaktivität und speziell mit Entzündungen. Insofern können beide nicht als Sars-Cov-2-Experten betrachtet werden, obwohl sie als solche wahrgenommen wurden. Auch in dem Buch "Schreckgespenst Infektionen" (2016) , in dem sie Bekanntes über Infektionen populärwissenschaftlich und eingängig darstellen, erweisen sich die Verfasser nicht als Spezialisten auf dem Gebiet der Virologie. Das ebenfalls locker geschriebene "Corona Fehlalarm" ist keine Abhandlung, die wissenschaftlichen Kriterien entspricht, sondern eine (tendenziöse) "Streitschrift", bei der auch der Hintergrund der politisch-gesellschaftlichen Ausrichtung der Autoren die Argumentation beeinflusst. Die Schrift setzt im ersten Buch gezogene Linien fort, ohne sich hier aber auf eigene oder gesicherte spezielle Forschungen zum Sars-Cov-2-Virus und Covid-19 berufen zu können.
Dabei wird man den Autoren durchaus wohlmeinende Absichten konzedieren. Deshalb halte ich es nicht für richtig, dass YouTube-Videos von Bhakdi entfernt wurden - auch wenn sie nicht haltbare Behauptungen und fragwürdige Empfehlungen verbreiten - und er von Teilen der Presse, der Kollegen und der Politik nicht nur in Frage gestellt, sondern diskriminiert wird. Wissenschaft und Gesellschaft sind auf Dialog angewiesen und abweichende und kritische Stimmen müssen gehört werden, wobei gegenseitiges Hören und Offenheit erforderlich sind. Ich traue auch informierten Lesern oder YouTube-Konsumenten zu, dass sie sich ihre eigene kritische Meinung zu den Thesen Bhakdis bilden können.
Dass Bhagdi 2020 den österreichischen "Negativpreis" "Goldenes Brett vorm Kopfe" für den "größten unwissenschaftlichen Unfug" des Jahres im deutschsprachigen Raum zugesprochen wurde, sei am Rande vermerkt. ("Finalisten" für die "Auszeichnung" waren neben ihm der Influencer Attila Hildmann und der Gründer der "Querdenken"-Initiative Michael Ballweg.) Die "Preisverleihung" hat satirischen Charakter, aber aufklärerischen Hintergrund. Als Argument gegen Bhagdis Thesen wird man das ernsthaft nicht verwenden. Die negative "Auszeichnung" des Wissenschaftlers trifft aber mindestens insofern ins Schwarze, weil Bhakdi seine offensichtlichen Fehleinschätzungen und unhaltbaren Annahmen nicht zurücknahm, sondern weiterhin an ihnen festhielt. Dies ist eine in der Wissenschafts-Community nicht akzeptable Haltung. In
seinem "Offenen Brief" an die deutsche Bundeskanzlerin vom 26.03.2020
- in dem er die Thesen seines Corona-Buches meist in Form von Fragen vorwegnimmt - will er ausdrücklich einen "wissenschaftlichen Beitrag" zur Lage
leisten. Er argumentiert also als Wissenschaftler und muss sich damit an wissenschaftlichen Maßstäben messen lassen. Darüber hinaus wird man ihn davon nicht freisprechen können, dass seine irreführenden und beharrlichen Äußerungen kontraproduktive Folgen in der Bekämpfung der Pandemie gehabt haben.
Anti-Corona-Massnahmen-Demonstranten berufen sich auf Bagdhi mit einem oft mitgeführten Danke!-Schild (20.10.20 - Düsseldorf / Bildquelle: Twitter / infozentrale) |
Am 09.12.2020: Rückblick - Leserbrief
Ein Urteil, ob meine Sicht der Verhältnisse bei Abfassung des Artikels angesichts der jetzigen Situation - hohe und immer noch steigende Zahl der täglichen Neu-Infektionen, enormer Anstieg der Todesfälle - angemessen war, überlasse ich den Lesern. Was ich aber ansprechen will und mich aber als Zugehöriger der "Risikogruppe" der 80-jährigen erschüttert, ist die immer noch währende Gleichgültigkeit der Coronaleugner und -verharmloser sowie die derzeit zutage tretende Unberührtheit vermutlich großer Teile der Bevölkerung gegenüber den vielen Todesfällen. Deren Ausmaß kommt inzwischen der (maximal geschätzten) Zahl der Opfer der Grippewellen der vergangenen Jahre nahe und überschreitet bei weitem die der jährlichen Verkehrstoten. Ich zitiere eine Leserzuschrift auf einen digital zugänglichen "Kommentar" in der schweizerischen NZZ vom 01.12.20 (dem ich eine Menge Leserbriefe aus anderen, auch deutschen, Zeitungen mit ähnlicher Tendenz zufügen könnte):
...Und da inzwischen bekannt ist, dass das Corona-Virus genau bei DEN
Menschen das Sterben beschleunigt, die sowieso auf dem Weg ins Grab
sind, gäbe es vor allem EINE naheliegende Geschichte zu erzählen:
Nämlich die von einer Krankheit, die vielleicht(!) für einige Zeit unser
Gesundheitssystem unter Stress setzt, aber ansonsten nichts an der
Gesellschaft ändern müsste. Wenn 10, auch 20% der sowieso Versterbenden
das dann eben mit Corona tun: so what?!?...
Hierzu gab 79 "Empfehlungen".
Zur Frage, was jetzt zu tun ist, empfehle ich einen Artikel dreier Wissenschaftlerinnen in "ZeitOnline" vom 09.12.20 / "Zeit" 10.12.20: "Corona-Lockdown über Weihnachten: Wir müssen das Spiel drehen!" Leider darf ich den Artikel nicht verlinken.
Ende des Jahres 2020: Presseauszüge zur Lage - Eine persönliche Beobachtung (Andrang im Harz)
... die öffentliche Diskussion schien so sehr von spezifischen Lockerungs-Lobbies dominiert, dass ich mich manchmal fragte, ob die Beteiligten die Pandemie überhaupt noch als das sahen, was sie ist: eine schwere und für viele Menschen potenziell tödliche Krise, die es so gut wie möglich zu vermeiden gilt ...
Dass insbesondere nach Abklingen der ersten Welle nicht konsequent danach gehandelt wurde, einen Anstieg wie jetzt (und damit nicht zuletzt auch den jetzigen zweiten weichen “Lockdown”) zu vermeiden, ist ein gesamtpolitisches Armutszeugnis. Die Expertenempfehlungen waren da ...
( Markus Pössel, Spektrum.de /30/12/20)
Leserbrief dazu:
... Ich tu mir allerdings schwer von einem gesamtpolitischen Armutszeugnis zu sprechen. Gesamtgesellschaftliches Armutszeugnis trifft es besser ...
... Man darf also noch hoffen, dass die falsche Politik der Mäßigung auch in
Deutschland ihr Ende findet. Zwei extreme Antworten sind denkbar
(zwischen denen freilich diverse Graustufen liegen): Entweder
Deutschland entscheidet sich frank und frei – als offen zynisches
Gemeinwesen – gegen den Schutz und für das Risiko. Oder Wählerinnen und
Wähler formulieren auch vor dem Hintergrund individueller
Covid-Erfahrungen der Politik gegenüber den klaren Anspruch, dass es ihr
Job ist, das Realwerden existenzieller Krisen zu verhindern ...
(Jakob Simmank, ZeitOnline 30/12/2020)
Eine persönliche Beobachtung:
Wenn man als Einwohner Bad Harzburgs ansehen muss, welche Ströme an Autokolonnen - mit vollbesetzten und oft von weither kommenden Fahrzeugen - in den freien Tagen um Weihnachten und Neujahr in den völlig überfüllten Oberharz fluten, kann man vor so viel Unvernunft und unsozialem Verhalten wieder nur den Kopf schütteln - wie schon in den vorhergehenden Ferienzeiten. Von Abstandswahrung auf Parkplätzen, Spazierwegen, Rodelhängen und in Supermärkten kann kaum mehr die Rede sein. Zur Infektionsgefahr kommt die Lärm- und Umweltbelastung eines "Nationalparks" und der davor und darin liegenden Gemeinden hinzu. Was tun die Behörden? Statt wirksame Maßnahmen zu ergreifen, sprechen sie "Empfehlungen" aus, die offenbar wirkungslos verhallen. In letzter Minute werden dann Straßen und Parkplätze gesperrt. Und die Betreiber wollten Rodelhänge und Loipen präparieren! Welch Widersinn! Auf diese Weise werden die Infektionszahlen nie sinken!
Im Kleinen zeigt sich, was für das Ganze gilt: Auf der einen Seite ist ersichtlich, dass eine nicht geringe Zahl von Menschen kein deutliches Bewußtsein der Krise hat und nicht bereit ist Rücksicht zu nehmen und ihr Verhalten anzupassen. Angesichts des "Ausnahmezustandes", in dem wir uns durch die naturkatastrophen- ähnliche Ausbreitung des Virus befinden, ist das Beharren auf dem "Recht", Freizeitaktivitäten wie gewohnt auszuüben, unangemessen! Auf der anderen Seite wird offenbar, dass politisch Verantwortliche nicht vorausschauend planen und nicht den Mut aufbringen notwendige und stringente Maßnahmen - auch gegen Uneinsichtige - durchzusetzen. Angesichts des zu erwartenden Zustroms an die beliebten Ausflugsorte wäre es angebracht gewesen, rechtzeitig ein zeitlich und gebietsmäßig begrenztes Tagesausflugsverbot auszusprechen. In der jetzigen Krisensituation gehört es zum Auftrag der jeweiligen staatlichen Verantwortungsträger, Menschen davor abzuhalten sich selbst und anderen zu schaden.
B 4 / Bad Harzburg -Torfhaus - Braunlage am Samstag, den 02.01.2021 um 9.00 Uhr. Oberhalb von Harzburg standen die Autos im Stau. Mittags wurde die Straße gesperrt. |
Die Straße am nächsten Tag morgens 9.30 Uhr - trotz aller Warnungen! |
Parkplatz im winterlichen Oberharz (Torfhaus) - Bild: ndr.de / 02.01.2020 |
04.01.2021: Was die Corona-Krise offenbar macht
In einem Artikel der TAZ vom 30.12.2020 ("Solidaritätskollaps") spricht die Schriftstellerin Jagoda Marinic von der "Ich-Bezogenheit" in der Gesellschaft, die die Corona-Krise offenbart.
Das eigene Handeln und Leben in Relation zu anderen zu setzen, ist nun leider etwas, das viele verlernt haben. Corona macht die Deformation dessen deutlich, was wir noch immer gerne „Gesellschaft“ nennen: Eine Ansammlung von Ich-Fanatikern. Keine Empathie, solange man sich nicht selbst in Sicherheit gebracht hat ... In dieser Atmosphäre aus Kälte und Apathie ist das Beschwören von Solidarität, wie Corona sie fordert, vergeblich. Wer kann, will sein Vergnügen, es ist schließlich „sein Leben“ – das Primat des Egoismus zählt.
Die Autorin weist darauf hin, wie schwierig es ist, Bürger zur Solidarität zu verpflichten, wenn dieser Wert vom geltenden "neoliberalen Primat" ausgehöhlt wird. "Parallelgesellschaften", die auf der einen Seite von Armut gekennzeichnet sind, auf der anderen von Multimillionären, ebenso das inhumane Verhalten der europäischen Politik gegenüber dem Flüchtlingselend, machen "eine Politik, die Solidarität beschwört, den Lockdown verhängt, ´weil jedes Leben zählt`, unglaubwürdig. Verstärkt wird dieser Effekt durch die wirtschaftliche Bedrohung, in der sich viele in der Corona-Krise sehen, im Gegenssatz zu anderen, meist ohnehin schon Reichen, die von der Krise profitieren.
Dem normalen Bürger sind derzeit Reisen in die üblichen Feriengebiete verschlossen. Wen wundert es, dass dieser Bürger auf sein "Recht" zu bescheidenen Tagesausflügen besteht - auch wenn sie unvernünftig und gefährlich sind - wenn er mitbekommt, dass Prominente auf den Seychellen ihr Luxusleben ungehemmt und vermeintlich ungefährdet fortsetzen.
So fordert die Autorin dazu auf, die "Gerechtigkeitsfrage" neu zu stellen.
Die Frage ist derzeit nicht, ob der Staat viel verteilt, das tut er. Die Frage ist, von wem er sich das Geld, das er verteilt, nimmt. Und welche Vermögen unangetastet bleiben. In Zeiten der Neuverschuldung angesichts von Corona und der Klimakrise muss Solidarität die Gerechtigkeitsfrage neu stellen.
04.01.2021: Schleppender Start der Impfungen
Mein ursprünglicher Abschluß des Artikels endete mit der Meldung, dass der erste Impfstoff kurz vor der Zulassung stehe und der damit verbundenen Hoffnung, dass der Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus in absehbarer Zeit Einhalt geboten werden könne. Die Hoffnung schwindet.
Ein Anruf bei der für Niedersachsen eingerichteten Hotline erbrachte - nach schwierigem Durchkommen - die Information, dass man dabei sei, mit der mobilen Impfung in Altersheimen zu beginnen und vorerst keine Impftermine an nachgeordnete Empfänger vergeben werden könnten. Die Impfzentren würden noch nicht arbeiten.
Eine der Ursachen für den schleppenden Beginn der Impfungen dürfte darin liegen, dass nicht genügend Impfstoff zur Verfügung steht. Da ist dann schon persönliche Betroffenheit zu konstatieren. Also weiter warten, wieder und wieder anrufen, weiter äußerste Vorsicht und Beschränkung walten lassen, weiter als Angehöriger einer Risikogruppe der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt sein, weiter Arztermine verschieben ... Und das bei einigen Covid-19-Fällen in der Bekanntschaft, die uns mitnehmen, teilweise mit schweren Verläufen und unter schwierigen persönlichen Umständen.
Da fragt man sich schon, ob hier nicht Versäumnisse der EU und der deutschen Regierung vorliegen, die nun ganz Europa gegenüber anderen anderen Kontinenten und Ländern ins Hintertreffen bringen. Hat man rechtzeitig genügend Impfstoff geordert? Hat man auf die "falschen", d. h. weniger aussichtsreichen, Firmen gesetzt? Hat man richtig mit den Firmen verhandelt? Wurde am falschen Fleck gespart? Hat man zuviel Rücksicht auf widerstrebende Kräfte in der EU und sonstige Einwände genommen? Hat man deutsche Interessen zu sehr vernachlässigt?
Fragen bei denen sich der Verdacht verdichtet, dass folgenreiche, womöglich skandalöse, Fehler gemacht wurden. Man wird sehen, was sich bei den Nachprüfungen auf diese Fragen herausstellt und welche Lösungen für die Situation gefunden werden..
Ingo Arzt schreibt in der TAZ am 01.01.2021 ("Der Markt hätte es gerichtet"):
Gesundheitsminister Jens Spahn und mit ihm die Europäische Union haben bei ihrer Impfstoffstrategie gegen Corona einen Fehler gemacht, der sich nun rächt: Sie hätten als Treuhänder öffentlichen Kapitals mehr, wie man sagt, return on investment fordern sollen. Und zwar in Form eines Zugriffs auf die Technologien, deren Entwicklung mit Milliarden Euro gefördert wird ... Es wird 2021 zwar genug Impfstoff geben [ das ist noch die Frage !], um die Pandemie zu stoppen, aber die Produktion läuft zu langsam an. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob bereits im März die vulnerabelsten Gruppen in Deutschland durchgeimpft sind oder erst im Juni. Jede Woche Verzögerung kostet Menschenleben, jede Woche Lockdown treibt mehr Menschen in den Ruin oder die Verzweiflung. Doch eine deutsche EU-Ratspräsidentschaft und eine von einer Deutschen geführte EU-Kommission haben sich auf den Erfolgsmeldungen über die schnelle Impfstoffentwicklung ausgeruht ...
05.01.2021: Die Impfgegner sammeln sich
Zitat (von Experten):
14.01.2021: Leserbrief von mir an eine Regionalzeitung (dort nicht veröffentlicht)
„Lasst Menschen glücklich sein“ – eine „Strategie“ gegen das Virus?
In verschiedenen Lesebriefen wurde gegen die Corona- Einschränkungen eingewandt, dass sie das Glück des Einzelnen beeinträchtigten. Weiter wurde argumentiert, für die Gesundheit und Widerstandskraft sei das Glück eine notwendige Grundlage. Dann wurde der Schluss gezogen, auf die Dauer sei das individuelle Glück der bessere Schutz gegen Covid-19 als glückseinschränkende Maßnahmen.
Mit der Frage nach dem "Glück" wird sicher ein wichtiger Thema angestoßen, dass eng mit der Forderung nach Freiheit zur Lebensgestaltung zusammen hängt. Es stimmt. dass glückliche Menschen meist gesünder und widerstandfähiger sind als unglückliche. Es stimmt auch, dass die derzeitigen Einschränkungen vieles verhindern, was Glücksgefühle auslösen kann.
Was Glück bedeutet, kann sehr unterschiedlich sein und es gibt viele Möglichkeiten, Glück zu erfahren. Vielleicht wäre es ein Anlass zur Besinnung, wenn man meint, unter den derzeitigen Bedingungen keine glücklichen Erlebnisse und Momente mehr finden zu können. Vielleicht sollte man dann Ausschau nach anderen Glücksmöglichkeiten als den gewohnten halten. Ist es denn ein so großes Glück – als Beispiel - wie gewohnt in überfüllte Wintersportgebiete zu fahren, in Staus zu stecken und sich uneingeschränkt auf dichtbevölkerten Pisten zu bewegen? Und wäre es so glücksverheißend, sich abends ungehemmt in vollgestopften Bars drängeln zu dürfen - dies bei der Gefahr sich und andere anzustecken?
Ich habe wirklich nichts dagegen einzuwenden, dass Menschen glücklich sein wollen. Aber kann man denn glücklich sein, wenn das eigene Glückstreben damit erkauft wird, dass sich noch mehr Menschen mit dem Sars-CoV-2-Virus infizieren, diesen verbreiten und so dazu beitragen, dass es weitere schlimme Krankheitsverläufe und Todesfälle gibt. Es ist schon schwer genug zu ertragen, dass inzwischen im Verwandten- und Freundeskreis geschätzte Menschen an Covid-19 heftig erkrankt oder gestorben sind. Der Streit, ob die Verstorbenen "an" oder "mit" „Corona“ gestorben sind, ist dabei müßig. Sie könnten noch leben, wenn sie sich nicht angesteckt hätten! Es fällt mir schwer, bei so viel Leid und Kummer in unserem Land und in aller Welt meine eigene Freiheit und die damit verbundenen eventuellen Glückserfahrungen unbeirrt in den Vordergrund zu stellen; ich wünsche mir, dass all die Freiheits- und Glücks-Forderer dies Leid auch in den Blick nehmen und sich davon berühren lassen.
Es ist überdies eine naive Vorstellung, dass das Virus „glückliche“ Menschen ausnimmt. Sars-Cov-2 kümmert sich nicht um unsere Befindlichkeit! Und es ist auch eine naive Vorstellung, wenn man meint, eine Pandemie eindämmen zu können, in dem man Menschen alles tun lässt, was sie glücklich machen könnte.
Es ist erfreulich zu sehen, dass sich viele Menschen in der Corona-Krise rücksichtvoll und verantwortlich verhalten. Es ist auch ein gutes Zeichen, dass sich unsere Regierungen dafür entschieden haben, die „Vulnerablen“ zu schützen und nicht hinzunehmen, dass „die Alten sowieso bald sterben“. Aber das verquere, ignorante Denken und die ethisch nicht akzeptable selbstbezogene Haltung anderer ist ein großes Hindernis für die Bewältigung der Krise. Es gibt leider sehr viele „Ego-Fanatiker“ in unserer Gesellschaft, die die Bemühungen unterlaufen, das Virus und seine Folgen einzudämmen.
18.01.2021: Führende Wissenschaftler schlagen der deutschen Politik eine differenzierte, aber entschiedene "Null-Fälle-Strategie" vor. Wie werden die Regierenden reagieren?
20.01.2021: Neue Beschlüsse - alte Regeln verlängert, neue hinzugekommen
Die Kanzlerin, die Minister und die Ministerpräsidenten haben wieder einmal beraten und Beschlüsse gefasst. Der Status quo wird fortgesetzt, einige sinnmachende Verschärfungen kommen hinzu. In den Ländern gibt es weiterhin sehr unterschiedliche Regelungen. Dabei hapert es an vielen Stellen: Effektivität der Organisation, Ausstattung von Schulen und Kitas, Personalprobleme, Impffortschritt, Testhäufigkeit, Nachverfolgung der Infektionen, genaue Meldezahlen, gerechte Verteilung und zügige Auszahlung von Hilfen, strikte Kontrolle der Maßnahmen ...
Wieder fehlt Einigkeit, Weitsicht, Kreativität, Konsequenz. Eine längerfristige Strategie ist nicht zu erkennen, obwohl Vorschläge von kompetenter Seite vorliegen. Warum nimmt man das nicht auf? Fehlt der Mut sich gegenüber Lobbyisten, Minderheiten, die den Ernst der Lage nicht erkennen, und Egoisten durchzusetzen? Was sagte ein heutiger Kommentator? Er sprach von "Weitsicht eines Milchglases" im Blick auf das Handeln unserer Politiker! Statt entschieden einen zeitlich begrenzten und umfassenden Lockdown und ein generelles Reiseverbot auszusprechen, hangelt man sich also weiter von lückenhaften und unterschiedlichen Lockdowns, Lockerungen und erneuten Lockdowns. So wird man weder den angestrebten Inzidenzwert von 50 oder gar "Null-Fälle" erreichen, noch die Bevölkerung für Maßnahmen gewinnen. Die Regierenden bieten uns keine Perspektive, die uns hoffen läßt, dass wir in absehbarer Zeit wieder zu einem einigermaßen normalen Leben zurückkehren können, wie ich es etwa von meine Tochter in Australien höre.
So können Australier den Jahresanfang genießen (5. Jan. 2021)
Ein Blick nach Australien.
Die Regierung von NSW (North South Wales - mit der Hauptstadt Sidney) teilt für den 20. Jan. mit: 12.213 Testungen, 0 neue im Land erworbene Fälle, 5 durch Zugang von Übersee (in Quarantäne), 87 noch aktive Fälle. Für ganz Australien ergibt sich dasselbe Bild: am 23.01. 0 neue Fälle. Beneidenswert! Bis dahin hatte Australien 909 Todesfälle. Hier ist durch vorhergehende und nun weitgehend aufgehobene strikte, aber auch differenzierte Regelungen das "Null-Fälle"-Ziel fast erreicht worden. Durch die Aussicht auf Erfolge und die eintretende Wirksamkeit konnte man die Bevölkerung zum Mitmachen gewinnen. Trotz der entspannten Lage wird die Situation genau beobachtet, kontrolliert und auch mitgeteilt - z. B. durch die präzise Angabe, wo sich Erkrankte befinden und an welchem Ort sie sich angesteckt haben. Angesichts der Einschleppungsgefahr wird das Einreiseverbot und bei den wenigen Ausnahmen eine überwachte Quarantäne in Hotels beibehalten. Nur so geht es, aber so klappt es auch. Und da erklärt eine deutsche Journalistin in einer Talkshow im Fernsehen, die "Null-Fälle-Strategie" beruhe auf "Phantasien"! Oder der neue CDU-Vorsitzenden Laschet: "Es wird keine Strategie bis zum Sommer geben können, weil immer neue Fakten hinzukommen, auf die wir reagieren müssen".
Leider blickt auch ein Großteil unserer Presse kaum über ihren lokal oder Landes begrenzten Horizont hinaus und informiert die Bevölkerung nicht über erfolgversprechende Strategien in anderen Ländern. Erst wenn die Bevölkerung erkennt, dass es auch anders und wirksamer geht als bisher, wird Bewegung in die verfahrene Lage kommen.
Das Argument, der Föderalismus unserer Verfassung mache alles so schwierig, verfängt nicht. Australien ist ein föderaler Staatenbund und die einzelnen Staaten haben eher noch mehr Rechte als unsere Länder. Trotzdem haben es die Staaten dort geschafft, überall strenge Regelungen mit empfindlichen Sanktionen und wirksamen Kontrollen einzuführen. Auch das Argument, dass wir uns wegen unserer Eingebundenheit in die EU nicht schützen könnten, trifft nicht zu. Im Frühjahr haben die meisten EU-Länder die Grenzen dicht gemacht. Wir haben ja auch jetzt Einreisekontrollen mit Test- und Quarantänepflicht, was aber wenig effektiv ist, wenn die Bestimmungen so lax gehandhabt werden, wie von Einreisenden aus dem Bekanntenkreis berichtet wird.
Das jetzige Krisenmanagement der Kanzlerin und der (meisten) Minister(präsidenten) ist enttäuschend, deprimierend - es war schon einmal anders! Da ist es auch kein Trost, dass andere europäische Länder es nicht besser machen.
Es wird Zeit, dass Wählerinnen und Wähler dies wahrnehmen und entschieden von den Regierenden einfordern, dass sie ihren "Job" besser machen.
Vorerst bleibt uns nicht anderes übrig, als weiter Selbstverantwortung üben, sich strikt an die infektionsminimierenden Verhaltenregeln halten, nach positiven Momenten und Gestaltungsmöglichkeiten im Leben suchen, durchhalten, die Hoffnungen nicht aufgeben, auf die Impfung - und dass wir lebend "aus der Nummer" herauskommen.
Für heute war der Beginn der Impfterminvergabe für über 80-jährige angesagt. Der Brief des Landkreises mit Informationen dazu ist gestern eingetroffen. Der Landrat schließt mit den Worten: "Lassen Sie sich impfen und helfen Sie mit, die Pandemie zu bekämpfen."
Ich stehe früh auf und rufe das angegebene Onlineportal auf. Nach 8.00 Uhr erscheint es. Ich arbeite mich durch die verlangten Eingaben. Das Portal funktioniert schlecht, erst nach mehrfachen Eingabewiederholungen geht es weiter. Eine SMS-Nachricht mit einer Zahl, die eingegeben werden muss, erhalte ich nach mehreren Versuchen. Endlich komme ich zum Kalender, auf dem ein Termin ausgewählt werden soll. Beim Anklicken keine Reaktion. Ich wiederhole einen Teil der Prozedur, wieder passiert nichts. Was jetzt? Nach längerem Warten und einigem Herumklicken erscheint die Mitteilung, dass keine Termine mehr verfügbar seien. Ich solle mich über die Hotline auf eine Warteliste setzen lassen.
Ich wähle die Hotline an und höre: "Die Nummer ist nicht gültig". Nach weiteren Versuchen die Mitteilung, die Hotline sei überlastet und die Aufforderung es später noch einmal zu versuchen. Ich schalte die Rufnummerwiederholung ein. Stundenlang immer neues Anwählen - vergeblich. Ich gebe auf.
Im Anschreiben bzw. in der Zeitung lese ich, im Kreis Goslar seien jetzt 13.000 Menschen impfberechtigt, auf Grund des Impfstoffmangels könnten zunächst aber nur 2,7% der Impfberechtigten im Land geimpft werden, das wären im Kreis Goslar 351 Personen. Da hätte ich es gar nicht erst versuchen brauchen! Und wie haben es diejenigen geschafft, die einen Termin bekommen haben? Ich war schließlich von der Öffnung des Portals an am PC! Ich fühle mich vera.....! Und wie sollen das Menschen schaffen, die nicht so gut wie ich im Umgang mit technischen Geräten sind?
Was ist denn das für eine Planung, Organisation und Informationspolitik? Jede größere Online-Firma macht es besser! Und das in einem angeblich fortschrittlichen und hochtechnisierten Land mit viel "Know how"! Fragt sich, wo der ist!
P.S. Am späten Nachmittag kommt meine Frau dann doch auf der Hotline durch und ich erhalte einen Platz auf der Warteliste.
09.02.2021 - Situationsschilderung
Der Autor beim Schneeschippen auf der Dachterasse
Der Schnee hat uns im Griff. Auf der Dachterasse, den Balkonen, vor dem Hauseingang mehr als einen halben Meter - und es schneit weiter. Schippen, Schippen ... Wenige Autos fahren im Schritttempo durch die Straßen, vereinzelne Fußgänger kämpfen sich durch tiefen Schnee auf nicht immer geräumten Bürgersteigen. Will uns die Natur beim Lockdown unterstützen?
Abends mache ich mit dem Hund meine Runde durch die Fußgängerzone. Natürlich wie vorgeschrieben mit Maske über der Nase. Vor einem Haus schaufeln Männer den Schnee beiseite - auch mit Maske. Meterhohe Schneewälle säumen den engen Geh- und Fahrstreifen. Eine Frau kommt mir entgegen: keine Maske. Sie blickt mich an und zieht - offenbar schuldbewußt - den Schal über Kinn und Mund. Ich höre: "Die tragen hier alle noch Maske!" Dann murmelt sie: "Ich bin es satt."
Ich höre es auch anderswo: "Langsam reicht es uns!" "Wann ist endlich wieder ein normales Leben möglich?" Wir sind corona-müde. Verständlich, wem geht es nicht so? Die Infektions- und auch die Todezahlen sinken - hoch sind sie immer noch, zu hoch. Der Ruf nach Lockerungen erschallt, von vielen Seiten. Die Landespolitiker künden "Stufenpläne" an, für den schrittweisen Ausstieg - die Menschen bräuchten "Perspektiven". Sicher! Doch der Nachweis von hochansteckenden Virusmutanten häuft sich. Wer weiß schon, was kommt? Den Viren ist es egal, ob wir sie satt haben!
Auf-gelesen
Ein Leser schreibt in der "GZ":
... Ein Virus rüttelt am System, vor allem an der Spezies Mensch - weltweit. Also, Spritze her! Plötzlich schließen wir uns zu Konferenzen zusammen (das ist bisher weder bei abgeholzten Urwäldern noch verhungernden Kindern, aufgetauten Frostböden, ertrunkenen Afrikanern gelungen), diskutieren in langweiligen Talkshows mit immer den gleichen Protagonisten, fordern Solidarität, klatschen Beifall von den Balkonen, weil es uns selbst an den Kragen geht.
Wenn es anderen an den Kragen geht, bleiben wir still. Zwingt das Virus zum Umdenken? Endlich? Nein ... Spritze her! Wir nörgeln schon über die Ausgangsbeschränkungen , pfeifen auf die steigenden Infektionszahlen, die vielen Toten. Spritze her! Normalität soll einkehren. Und wie die Börse schon zappelt. Umdenken bleibt Illusion. Schon üben wir den alten Song: "Hurra, wir leben noch!" "Na", sagt das Virus - "dann mutiere ich eben."
12.02.2020 - "Impfvordrängler"
Ich habe immer noch keinen Impftermin bekommen und meine impfberechtigte Bekannten um mich auch nicht. Da lese ich nun, dass inzwischen Hunderte von nicht zur Prioritätenliste Gehörige die Impfung erhalten haben, teilweise schon im Dezember - meist Leute mit guten Beziehungen zu den Leitern der Impfzentren: Landräte, Bürgermeister, Verwaltungsmenschen, Klinikleiter, Geistliche (ein Bischof wird genannt). Auch Gruppen, denen man das eher nachsehen könnte wie Rote-Kreuz-Angehörige, Feuerwehrleute und Soldaten sind dabei. Nicht in allen Fällen ist das an die Öffentlichkeit gelangt, man kann mit einer Dunkelziffer rechnen. Immer heißt es: übrig gebliebener Impfstoff sollte nicht weggeworfen werden, man sei für seinen Aufgabenbereich unabkömmlich usw. An leicht zu widerlegenden Ausreden mangelt es nicht. Ich verstehe es noch - obwohl das auch nicht korrekt ist - wenn unmittelbar "an der Front" Stehende die Situation ausgenutzt haben. Aber sonst - sagen wir es deutlich: es ist unmoralisch, egoistisch, asozial, es handelt sich um Diebstahl - ja, die Berechtigten wurden beraubt. Das kann Leben der soviel berufenen "Schwächsten" kosten! Und wie müssen das diejenigen empfinden, die außer den über Achtzigjährigen berechtigterweise Priorität fordern können wie Hausärzte, jüngere chronisch Kranke und Behinderte? Wieder einmal wurde der Ruf nach Solidarität desavouiert, teilweise von Leuten, die als öffentliche Mandatsträger eine Vorbildfunktion haben sollten. Dass das in Spanien passiert, wundert mich nicht, da gehört Korruption zum Alltag eines Teils der Politiker und Staatsbediensteten. Aber in Deutschland ... ? Das wirft kein gutes Licht auf dieses Land - und seine Verantwortungsträger, es spielt denen in die Hände, die sowieso kein "gutes Haar" an ihnen lassen! Dass den Landräten, Bürgermeistern, Impfzentrenleitern usw. wegen "Amtsmissbrauch" irgendeine Konsequenz droht, müssen sie wohl nicht befürchten. In vielen Fällen haben sie sich ja noch nicht einmal einsichtig gezeigt, was ihr Fehlverhalten betrifft.
Man sage mir nicht: "Ja hätte man den Impfstoff denn wegwerfen sollen?" Dass unter den jetzigen Verhältnissen nicht alle Berechtigten ihren Termin wahrnehmen konnten und Impfstoff übrig bleiben würde, war spätestens im Laufe eines Tages vorhersehbar. Warum hat man nicht Impfberechtigte angerufen (meine Handy-Nummer liegt vor) und ihnen gesagt, sie könnten sich bereit halten? Man konnte ja auch den Oberbürgermeister von Halle kurzfristig telefonisch benachrichtigen und ihm sagen, er solle zur Impfung kommen! Ich wäre in einer Viertelstunde am Impfzentrum gewesen!
P.S. Heute, am 13.02., haben ich und ein Bekannter einen Impftermin bekommen, schriftlich.
Lockdown verlängert
Wieder einmal haben die Kanzlerin, die Minister und die Ministerpräsidenten per Video-Konferenz getagt und sich beraten. Herausgekommen ist die Fortführung des bisherigen "Lockdowns", vorerst keine Lockerungen (außer einer symbolischen: Friseure dürfen öffnen). Ehe eine Siebentages-Inzidenz von 35 nicht erreicht ist, sollten keine Lockerungen stattfinden. Und schon scheren einige Ministerpräsidenten wieder aus, wollen vorzeitig Kitas und Schulen öffnen und erlauben die Öffnung von Blumengeschäften, Gartencentern, Nagelstudios und Zoos. Dabei ist (zumindest nach einer Studie der TU Berlin) die Ansteckungsgefahr in Schulen und großen Kundenzentren hoch. (Für Kindergärten und Grundschulen ist das umstritten - aber Ausbrüche bei uns und in anderen Ländern zeigen, dass sie sehr wohl Verbreitungsherde sein können.) Nun ja, Wahlen stehen an und man will sich ja angesichts der Maßnahmenmüdigkeit als "bevölkerungsfreundlich" und "wirtschaftförderlich" präsentieren.
Grundsätzlich ist der Kurs der Kanzlerin die Infektionszahlen weiter zu drücken richtig - nicht zuletzt wegen der neuen Virusmutanten. Aber wenn man schon wenig begründete Ausnahmen zulässt oder sich mit Empfehlungen begnügt (wie beim Homeoffice oder Mobilitätsbeschränkungen), hätte man gerechter und kreativer vorgehen können. Warum nicht Restaurants oder Geschäfte - wie in Katalonien - begrenzt und unter strengen Auflagen öffnen? Es wirkt auf mich sonderbar, wenn kleine Geschäfte in meinem Wohnort geschlossen sind, sich aber die Menschen in großen Lebensmittelmärkten so drängeln, dass Abstandswahrung kaum möglich ist. Da wird mit ungleichem Maß gemessen und werden zudem notwendige Beschränkungen nicht vorgeschrieben.
Nun stehen sich zwei Positionen gegenüber: die einen beklagen, dass es vorerst keine Lockerungen gibt, die sie erwartet haben und fordern "Klarheit" darüber, wann und wie Geschäfte, Restaurants, Hotels, Kulturstätten usw. wieder geöffnet werden.
Dass Familien mit Kindern, Gastwirte, Hoteliers, Freiberufler, Künstler, Arme, Angehörige der Reise-, Freizeit- und Körperpflegebranche, an die Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt sind - und manche unter ihnen darüberhinaus - steht außer Frage. Sie bedürfen der staatlichen Hilfe und Unterstützung und damit des Beitrages von uns anderen, wobei nicht vergessen werden darf, dass es auch Profiteure der Krise gibt, die ihren besonderen Anteil an finanzieller Solidarität leisten müssten. Im übrigen sollte nicht übersehen werden, dass auch wir (vorerst) wirtschaftlich nicht direkt Betroffene und durch den Lockdown nicht existentiell Eingeschränkte unter der Situation leiden und Opfer bringen.
Wer rasche und umfassende Lockerungen jetzt will, leugnet entweder die Unbarmherzigkeit der Viren oder nimmt eine dritte, vor allem durch die Virus-Mutanten verursachte "Welle" mit vorhersehbaren "Folgeschäden" bewußt (und vielleicht zynisch) in Kauf: massenhaft Erkrankungen mit Nachwirkungen und Todesfälle - auch unter Jüngeren und Kindern, denn, wie sich in England und Israel gezeigt hat, einige der neuen Virusvarianten gefährden diese mehr als bisher. Er nimmt auch in Kauf, dass Ärzte in Krankenhäusern und Krankenhauspersonal weiterhin bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit und darüberhinaus arbeiten müssen. Dies alles führt ebenfalls zu wirtschaftlichen Schäden, wenn Erkrankte ausfallen und ein Teil der Bevölkerung "verschwindet".
Die anderen bemängeln - und dazu gehöre ich - dass wieder eine Chance - wohl die letzte, bei der ein großer Teil der Bevölkerung noch mitmachen würde - verpasst ist, die Infektionszahlen gegen Null hin zu bewegen. Zwei bis drei Wochen strenger und konsequenter Lockdown, mit Grenzschließungen, Arbeitsniederlegungen (mit Sonderurlaub - Ausnahme: Homeoffice), Schul - und Kitaschließungen (mit Homeschooling und begründeten Notbetreuungen), strikten Reise-, Mobilitäts- und Besuchsbeschränkungen, Schließung von Geschäften und besucherintensiven Zentren, Versammlungsverbot sowie engmaschiger Kontaktnachverfolgung, alles kontrolliert und nur mit den lebensnotwendigsten und menschlich erforderlichen Ausnahmen, würden die Infektionszahlen auf ein Minimum bringen und die weitere Ausbreitung der Mutanten verhindern.
Mit strikten Maßnahmen, das ist die gute Nachricht aus Großbritannien, läßt sich B.1.1.7. in Schach halten. Auch in Irland sind die Fallzahlen auf diese Weise stark gesunken. Schulen und die meisten Geschäfte haben dort geschlossen. Das Haus verlassen darf man nur aus triftigem Grund. (Der Spiegel, 13.02.21, S. 97)
Ist einmal eine geringe Inzidenz erreicht, könnte man wieder vorsichtig und schrittweise öffnen, je nach Lage und eventuell Gebiet. Das würde den Menschen und der Wirtschaft eine klare Perspektive geben.
Leider hat sich die Politik wieder anders entschieden und mutet uns ein hohes Risiko zu.
Von Viren und den Umgang mit ihnen
Wann endlich wird man begreifen, wie Viren wirken? Potentiell tödlichen Viren wie den Sars-Viren begegnet man gesellschaftlich nicht mit Laufenlassen, nachlässigen, rücksichtvollen und inkonsequenten Maßnahmen, bloßen Empfehlungen, unbegründeten Mutmaßungen, Hoffnungen oder Verharmlosungen. Wer gefährliche Viren effektiv bekämpfen will, muss ihr Wirken kennen. Hier eine einfache Erklärung.
Viren sind noch keine selbständigen Lebewesen, sondern organische Strukturen. Sie besitzen aber Erbinformationen, ein genetisches Programm. Das ermöglicht ihnen das eigene Leben und Überleben und das ihrer Population. Viren haben nur ein Bestreben: lebendige, funktionierende Wirtszellen zu finden, in denen sie sich festsetzen, ernähren und vermehren können. Darauf und dafür sind sie programmiert.
Ein Virus braucht einen Wirtskörper. Nur wenn er in dessen Zellen eindringen kann, ist er lebensfähig. Um das zu können, hat er evolutionär spezielle Eigenschaften entwickelt, mit denen er zunächst mit der Wirtszelle - anscheinend - kooperiert. Dann "besetzt" er sie und zwingt ihr sein genetisches Programm auf. Er macht aus der Wirtszelle eine Art "Virenfabrik", die weitere Viren herstellt. So vermehrt er sich und die neu entstandenen Viren besetzen immer mehr Wirtszellen, vor allem für sie leicht zugängliche - so in den Atemwegen oder im Gehirn - und geschwächte. Für das Virus bedeutet der Wirtskörper die Lebensgrundlage, für die besetzten Zellen am Ende die Zerstörung, den Tod. Dass das Virus dabei mitzugrunde geht, ist für die Population unerheblich, denn es hat seine Bestimmung erfüllt und sich vielfach reproduziert. Im schlimmsten Fall geht der ganze Wirtskörper zugrunde; auch durch die Schwächung, die bestehende Krankheiten verschlimmert oder Nebenerkrankungen ermöglicht, etwa durch aggessive Bakterien, z. B. Pneumokokken, die u. a. eine Lungenentzündung bewirken. Auch das ist für die Virengesellschaft unerheblich, denn meist ist ein Teil von ihnen bereits auf andere Wirtskörper übergegangen und setzt da sein Viren-Werk fort.
Wenn man so will: Wir Menschen sind "Gasthäuser" für Viren. Sie zechen auf deine Kosten und sind darauf aus, dich als Unternehmer des Betriebs Menschenexemplar, als "Wirt", zu ruinieren. Aber nicht nur dich, die "Karawane" zieht weiter.
Um im Bild zu bleiben:: eine Rotte von Viren zecht in uns, die Vorräte drohen zur Neige zu gehen, da bricht ein Teil der Kumpanen auf und sucht sich das nächste Gasthaus. Draußen ist es kalt und unwirtlich. Sie schaffen es in der Kälte und ohne Proviant nur bis zu einem Wirtshaus in der Nähe, sonst würden sie unterwegs zusammenbrechen. Weniger bildlich gesprochen: Viren, die sich massenweise in einem Wirtskörper vermehrt haben, sind evolutionär darauf angelegt, sich neue Lebensgrundlagen, neue Wirte zu suchen. Sie haben Wege gefunden, auf denen sie in erhaltungsfähigem Zustand nach außen transportiert werden und so auf andere Wirtskörper übergehen können. Das nennt man "Ansteckung". Da sie aber außerhalb des bisherigen Wirtes nicht lange bestehen, benötigen sie einen kurzen Weg zum nächsten Wirtskörper. Das bedeutet, sie werden durch enge Kontakte übertragen, in erster Linie über leicht temperierte Flüssigkeiten, Speichel, Nasenausfluss, Tröpfchen im Atem. Atemausstoß und kontaminierte Berührungen bilden die "Brücken", über die die Viren in das nächste "Gasthaus" gelangen. Je "ansteckender" sie sind - d. h. je fähiger sie sind einen neuen Wirt zu erreichen - desto größer ist die Chance für sie, dass sie neue Lebensgrundlagen finden und ihre Population erhalten und vergrößern.
Viren sind anpassungsfähig. Treffen sie auf Gegenwehr in ihren bevorzugten Wirtskörpern, dann können sie sich verändern, durch Mutation, also genetische Veränderung, und Selektion, d. h.: die Überlebensfähigsten setzen sich durch. Sie mutieren, nicht, weil sie "böse" sind, sondern durch Zufall. Mutationen sind ein ganz natürliches Vorkommnis bei Genomen, in der Erbmasse. Die Viren mutieren solange, bis sich einige finden, die die Gegenwehr bei den "Wirtsleuten" überwinden. Dann beginnt der Zyklus von Vermehrung und Übertragung von neuem. Wenn sich Viren stark verbreitet haben, häufen sich die Mutationen und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass überlebensfähigere, für uns aggressivere und ansteckendere Varianten als die bisherigen entstehen.
Wir Menschen sind nicht in der Lage, uns kurzfristig an ein neues Virus wie Sars-Cov-2 anzupassen und es von vorneherein erfolgreich abzuwehren - bis auf Ausnahmen, wobei niemand weiß, ob er dazugehört. Wir müssen zu Mitteln greifen, wie eine Impfung, die uns hilft eine passende und wirksame Imunreaktion aufzubauen. Aber auch da werden sich Viren durch Mutation und Selektion über kurz oder lang anpassen und die Abwehrschranken überwinden oder umgehen. Das erleben wir gerade bei den Sars-Cov-2-Viren.
Keine guten Aussichten für uns - nicht für die Viren, leider!
Fazit: Solange Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr besteht, hilft nur die Unterlassung oder Vermeidung von engen, übertragungsförderlichen Kontakten in der Gesellschaft. Nachlässigkeiten in dieser Hinsicht sind für die Viren buchstäblich "ein gefundenes Fressen"! Und da nun einmal nicht alle Menschen das einsehen und sich diszipliniert verhalten, sind entsprechende Regelungen, konsequente Kontrollen und wirksame Sanktionen bei Nichteinhaltung notwendig.
Eigentlich ganz einfach, oder? Leider tun sich viele von uns - auch Politiker - schwer damit, das zu verstehen und zu beachten. Aber Viren kümmern sich nicht um unsere Befindlichkeit, unsere Bedenken, Einwände und Widerstände. Viren folgen unbeirrt, naturgesetzlich, ihrem Programm. Wenn man das nicht erkennt und akzeptiert, wird man Viren nie erfolgreich bekämpfen können.
14.02.2021: Melbourne: Corona-Ausbruch in einem Hotel führt zu raschem und entschlossenen Handeln der Regierung
In der Metropole des australischen Bundesstaates Victoria und in ganz Victoria (6,7 Millionen Einwohner) ist am 12.02. ein vorerst fünftägiger "Lockdown" verhängt worden. Das wird dort übrigens offiziell "Circuit-Breaker", "Unterbrecher" (ursprünglich für den Stromkreis) genannt. Schauen wir uns einmal an, was den "Melburnians" und "Victorians" zugemutet wird:
Nur eine Person eines Haushaltes darf einmal am Tag das Haus zu Lebensmitteleinkäufen verlassen. Sonst sind einige andere notwendige Ausnahmen gestattet, z. B. bis zu zwei Stunden "Übungen" im Freien - "Indoor"-Sportstätten können nicht öffnen. Ein Umkreis von fünf Kilometern ab Wohnung darf nicht überschritten werden. Bei Verlassen des Hauses muss eine Maske getragen werden; es ist ein Abstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten. Hotels dürfen keine neuen Gäste aufnehmen. Gastronomiebetriebe und Läden außer Lebensmittelgeschäften sind geschlossen, "Take-Away"-Verkäufe und Lieferungen sind aber möglich. Private Besuche sind nicht erlaubt, ebenso private und öffentliche Versammlungen. Kinderbetreuungseinrichtungen bleiben geöffnet, nicht aber Schulen, bei denen nur Notbesuche bestimmter Schülergruppen gestattet sind. Wer kann, muss zu Hause arbeiten. Landungen internationaler Flüge in Melbourne werden ausgesetzt. Einreisende aus anderen australischen Staates sind verpflichtet eine Einreiseerlaubnis einzuholen; kommen sie aus Bereichen mit nennenswerten Infektionen ("rote" und "orangene" Zonen) müssen sie sich einem Test unterziehen und bis zum Vorliegen eines negativen Ergebnisses in Quarantäne bleiben. Die "Australian Open" -Veranstaltung findet vorerst ohne Zuschauer statt. Mit Beginn des Lockdowns wurde ein Match unterbrochen und die Zuschauer nach Hause geschickt.
Was war der Anlass: Eine am 04.02. vermutlich aus Großbritannien zurückgekehrte, mit der britschen Variante des Sars-Cov-19-Virus infizierte Person hatte in einem Quarantäne-Hotel am Flughafen zwei Familienmitglieder angesteckt, möglicherweise über einen Asthma-Spray ("Nebuliser"). Dies führte zu Ansteckungen von Mitarbeitern und anderen Reisenden im Hotel, insgesamt acht Personen (am 10.02.). Dazu kamen einige Ansteckungen außerhalb des Hotels durch soziale und familiäre Kontakte. Das Hotel wurde evakuiert. Alle Gäste, Mitarbeiter und Besucher des Hotels sowie Kontaktpersonen mussten sich testen lassen und in 14-tägige Quarantäne begeben
Die Gesundheitsbehörde meldet am 14.02. für Victoria zwei neue bestätigte Covid-19-Fälle und 21 bestehende, davon 6 bei Reiserückkehrern aus Übersee.
Beneidenswerte Zahlen im Vergleich zu europäischen Ländern! Und trotzdem der schnelle Circuit-Breaker!
Victoria hatte im August letzten Jahres die höchsten Infektionszahlen in Australien, allerdings vergleichsweise wesentlich geringere als bei uns im Dezember. Der jetzige Lockdown ist der dritte seit Beginn der Pandemie. Der zweite hatte in Melbourne 112 Tage gedauert.
Die Bevölkerung ist nicht gerade begeistert über die neuen Einschränkungen. In den Social Media gibt es Zustimmung und Kritik am letzten Krisenmanagement der Regierung; aber in Australien ist man gewohnt - bei allen Freiheiten, die man in normalen Zeiten hat - sich behördlichen Anordnungen, vor allem im nationalen Interesse, zu fügen. Es gab Hamsterkäufe - der Verkauf von Klopapier musste in manchen Supermärkten limitiert werden - und Protestversammlungen. Auf den Bildern sieht man Teilnehmer, die sagen wir einmal, überwiegend nicht repräsentativ für australische Bürger sind, aber natürlich auch betroffene Geschäftsleute. Die Ansammlungen wurden - weil verboten - von der Polizei meist schon im Entstehen zerstreut, einzelne Teilnehmer arrestiert.
Polizei und "Anti-Lockdown-Protester" in einem Vorort von Melbourne (Screeshot aus einem Video)
Der Ministerpräsident von Victoria, Daniel Andrews, warnt vor einer "Dritten Welle" durch die hochinfektiöse britische Virus Variante, befürchtet über die bisher festgestellten Infektionen und Kontakte darüber hinausgehende unerkannte und begründet so den raschen und harten Lockdown, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Er erklärte:
Eine Menge Menschen werden heute leiden ... Ich weiß, dass sind keine Nachrichten, die die Victorians heute hören möchten. Dies ist
nicht die Situation, in der wir sein wollten ... Aber ich möchte nicht in einer Woche hier sitzen, weil ich mich vor der heutigen schwierigen Entscheidung gedrückt habe, um dann nur noch melden zu können, dass das einzige, was noch klappen wird, nicht ein 5-tägiger Shutdown ist, sondern etwas, das viel, viel länger dauern muss. (Bild: Getty Images - Text: www.heraldsun.com.au / 15.02.2021) Ein Statement auf seiner Website beendet er mit den Worten: Erinnern Sie sich: niemand anders in der Welt - und nirgenwo - hat erreicht, was wir erreicht haben. Und so wie wir den Mut und die Überzeugung hatten, diesen Krieg vorher zu gewinnen, können wir das wieder tun.
Ein solche Einstellung sollten sich unsere Ministerpräsidenten zum Vorbild nehmen! Was für ein "Rumgeeiere" dagegen bei uns. In Deutschland scheint in der (Corona-)Politik der Grundsatz zu herrschen: Erst einmal abwarten - dann viel diskutieren - und nur, wenn´s gar nicht mehr anders geht, reagieren und dann möglichst so, dass es allen "schmeckt" - wobei am Schluss meist alle unzufrieden sind!
Victoria geht auch in diesem Fall den bisher erfolgreichen australischen Weg der "aggressiven Unterdrückung" der Übertragungen - schon beim Entstehen:
Finde die Leute, die positiv sind (ergänze: durch Kontaktverfolgung und Testung) und isoliere sie rasch, warte nicht bis sie Symptome haben. Dann ist es zu spät.
Auch Australien hat Fehler in der Bekämpfung der Pandemie gemacht. Aber sein entscheidender Vorteil gegenüber anderen Staaten ist - das sagte ein australischer Expertin:
“Political will and the public" - Der politische Wille und das Mitgehen der Öffentlichkeit.
P. S. am 17.02.21: Nachdem es in den letzten 24 Stunden keine Neuinfektionen gab, wurde der Lockdown aufgehoben. Es bleiben einige wenige Einschränkungen.
16.02.2021 - Wird es wieder ein "normales" Leben geben?
Kreativer Kölner Karnevalszug 2021 des Hänneschen-Puppentheaters (Screenshot)
Der rheinische Karneval findet dieses Jahr im Fernsehen und Internet statt. "Fasnet" in Würtemberg ebenfalls, obwohl einige "Narren" in Rottweil und anderswo das gebotene "Bleibet dahoim" nicht beachteten.
Wir sind keine Karneval- oder Fasnachtfanatiker, obwohl auch wir schöne Erinnerungen an einige dieser Events haben. Da kann man schon wehmütig werden und sich fragen: Wird das Leben noch einmal normal werden? Das hoffen derzeit viele, verlangen nach Öffnungsperspektiven und wollen den Oster- oder gar den Sommerurlaub planen. Im Wahlmodus befindliche Politiker springen auf den Trendzug auf.
Die Infektions- und Todeszahlen sinken - vorerst (sie liegen aber immer noch - vor allem die Sterbefälle - weit über den Spitzen im April ). Ist die Hoffnung auf ein "normales" Leben - ohne Bedrohung durch das Virus - in absehbarer Zeit realistisch? Leider lassen die neuen Virusmutanten daran zweifeln. Wenn sie sich weiter so wie jetzt im Untergrund ausbreiten, ist der Zeitpunkt abzusehen, an dem sich die Kurven des bisher grassierenden Virus und die der Mutanten kreuzen. Dann ist ein neues exponentielles Ansteigen der Infektionen wahrscheinlich - wie es Großbritannien erleben musste. Verhindert kann das werden, wenn man Ansteckungen vorher auf ein Minimum gebracht hat.
Aber auch, wenn das gelingt - wir werden das Virus und seine Auswirkungen nicht mehr so schnell los kriegen. Wir wissen nicht, wie es sich entwickelt und was es mit uns machen wird. Nach alledem, was wir über sein Wirken jetzt wissen (siehe oben) wird es uns weiter begleiten und sich wieder und wieder anpassen. Wenn wir die Ansteckungs- und Erkrankungsraten auf einem sehr niedrigen Niveau halten, lässt es sich wohl mit immer wieder neu angepassten Impfungen, noch zu entwickelnden Medizinen, Vorsichtsmaßnahmen, Testungen und Kontaktverfolgung kontrollieren. Wenn die Menschen mitmachen ... und das wissen wir auch nicht.
Immerhin wurden mit Impfprogrammen, politischem Willen Ausdauer und Hygienemaßnahmen andere Viren schon weitgehend "besiegt". Viriola major, das Pocken-Virus, dem früher mehr als 20% der Befallenen zum Ofer fielen, ist heute Geschichte. Ich wurde als Kind noch gegen Pocken geimpft. Pockenimpfung war weltweit Pflicht. Heute existiert das Virus nur noch in in zwei Hochsicherheitslaboren. Kann auch das Sars-Cov-19-Virus "ausgerottet" werden? Leider nein! Schon deswegen nicht, weil Wildtiere das Virus in sich tragen und es auf andere Tiere und Menschen weitergeben können. Und weil es sich durch Mutationen an neue Bedingungen anpassen kann. Auch wenn es zurückgedrängt wird, irgendwo in der Welt wird es immer wieder "ausbrechen". Weil es mit seinem Bestreben sich zu verbreiten weiter existiert und weil Menschen naiv oder nachlässig sind. Das Ebola-Virus mit seinen Varianten und seinem erneuten Auftreten macht uns das gerade vor. Und wir leben in einer globalisierten Welt - dauernde oder totale Abschließungen sind nicht möglich!
So halte ich vorerst die Hoffnung auf ein Leben wie vor der Pandemie für illusionär - mit kompetenten Wissenschaftlern. Diese Hoffnung von Seiten der Politik zu schüren, ist töricht oder verantwortungslos. Illusionen, Verleugnungen und Herabspielen der Gefahren helfen nicht: als Gesellschaft und Einzelne müssen wir lernen, mit dem "Feind" um uns und in uns angemessen umzugehen.
20.02.2021: Erste Impfung
Vorgestern habe ich die erste Impfung mit dem BioNTech Impfstoff "Comirnaty" erhalten. Das vom Landkreis eingerichtete Impfzentrum war gut organisiert: kein langes Warten, viele freundliche Helfer, Beratung ... Nach dem Impfen ein leicht pelziges Gefühl im Impfarm und ein wenig Schmerzen an der Impfstelle. Ich konnte bei keinem der vielen Menschen, die nach der Impfung im Zentrum eine Zeitlang ausruhten, einen "Impf-Schock" beobachten.
Am Tag danach keine nennenswerten Nebenwirkungen.
Heute, am dritten Tag, - wie im Informationsblatt beschrieben - Abgeschlagenheit (60%), Unwohlsein, Übelkeit (10%), unangenehm, aber erträglich. Mal sehen, was morgen kommt. [ Am 21.02. waren die Beschwerden nur noch schwach ausgeprägt, am 22. ganz verschwunden.]
Den Anhängern von "Impf-Märchen" kann ich versichern: mir wurde kein Nanochip implantiert. Immerhin sind die kleinsten Mikrochips reiskorngroß. Ich konnte keines an der Spritzenpritze entdecken und in die Kanüle hätte auch keines gepasst. Und die winzigen Nano-Lipide und Liposome (Fettstoffe), die als "Transportmittel" für die mRNA im Impfstoff enthalten sind, eignen sich wohl kaum als "Mini-Spione".
Wenn ich mir die biochemischen Vorgänge vor Augen führe, die die Impfung auslöst, wird auch nichts in mein Erbgut, in die DNA, eingebaut. Die mRNA (messenger Ribonukleinsäure) im Impfstoff trägt die Erbinformation zur Bildung des Spikeproteins beim Sars-Cov-2-Virus, also die "Bauanleitung" für einen äußeren Teil des Virus, seine Spikes. Dieses als fremd erkannte Eiweiß regt die Muskelzellen an der Impfstelle an, Antiköper und Abwehrzellen gegen die Viren-Spikes zu bilden, mit denen das Virus an die Körperzellen "andockt". Damit kann das Virus nicht mehr in Wirtszellen eindringen. Die mRNA hat einen unterschiedlichen chemischen Aufbau zur DNA; sie geht nicht in die menschlichen DNA-Zellkerne über und wird nach einigen Tagen in den Zellen abgebaut.
Also Leute, ich und ihr werdet durch die Impfung weder "fremdgesteuert" noch zum "Monster
21.02.2021: Diskussion um den Ursprung der Pandemie: "Wildtiermarkt" oder Labor in Wuhan ?
Mitglieder der WHO-Kommission treffen an einer Forschungsabteilung des "Wuhan Institutes of Virology" ein. Liegt hier der Ursprung der Covid-19 - Epidemie? (Bild: kyodonews.net 03.02.21)
Oder war es hier? Huanan Seafood Market (Bild:dtnext.in 28.03.20)
Weltweit vertritt ein großer Teil der Virologen die
These vom Ausgang der Pandemie vom "Huanan Seafood Market", die auch anfänglich von
der chinesischen Regierung vertreten wurde (heute läßt sie die Auffassung propagieren, das Virus sei aus dem Ausland eingeschleppt worden, womöglich über Gefrierfleisch). Von Anfang an gab es aber
auch Stimmen, die behaupteten, das Virus sei durch einen "Laborunfall"
freigesetzt worden, was vielfach als "Verschwörungstheorie" abgetan wurde. Diese Hypothese erhält durch eine "Studie zum
Ursprung der Corona-Virus Pandemie" von dem renommierten Hamburger
Physiker Roland Wiesendanger Unterstützung (veröffentlicht am 14.02.21
in "ResearchGate"). Auf Grund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen
und sonstigen Dokumenten will er einen Indiziennachweis führen, dass das
Auftreten des Virus keine "Naturkatastrophe" gewesen, sondern seinen
Ursprung im "Wuhan Institute of Virologie" habe und damit menschengemacht sei. [In diesem Institut erfolgte zum ersten Mal die Identifizierung ("Sequenzierung") des Sars-Cov-2-Genoms. Mit einem Link habe ich schon im Hauptartikel auf eine dementsprechende Veröffentlichung von Mitarbeitern des Institusts hingewiesen.]
Da die "Studie" nicht durch eine Vorprüfung durch andere Wissenschaftler gegangen sei, der Verfasser auch umstrittene Quellen benutze und nichts eigenständig Neues bringe, wird der Veröffentlichung "Unwissenschaftlichkeit" vorgeworfen. Dies geht aber an den Intentionen Wiesendangers vorbei, der keine virologischen Fachuntersuchung liefern will, sondern eine Recherche für eine Hypothese vorgenommen hat, die er in die öffentliche Diskussion bringen möchte. Es ist
auch klar, dass seine Ausführungen politische Brisanz haben und manche Virologen und virologische Forschungsinstitute in Frage stellen. Schon
von daher war Widerspruch zu erwarten.
Durch die von Wiesendanger vorgelegten Dokumente wird erhärtet, dass
1. "eine
Forschergruppe am ´Wuhan Institute of Virology`... über viele Jahre
hinweg
nicht nur natürlich vorkommende Coronaviren untersucht, sondern diese
gentechnisch
manipuliert [hat] mit dem Ziel, diese für den Menschen ansteckender und
gefährlicher zu
machen" - angeblich um ihre mögliche Auswirkung auf Menschen zu
erforschen und sie so bei einer eventuellen Pandemie besser bekämpfen zu
können („Gain-of-function"-Forschung / "Funktions-gewinn"- Forschung).
2. Sicherheitsmängel an diesem Institut bereits vor Ausbruch der Pandemie bestanden.
Darüber hinaus hält es Wiesendanger für wahrscheinlich, dass der Sars-Cov-2-Virus eine künstliche Mutante eines im Kot von Hufeisennasenfledermäusen zu findenden Corona-Virus sei, die in "Virologischen Institut von Wuhan" durch genetische Manipulation hergestellt wurde. Die Art der im Institut vorgenommenen Veränderung lasse auch die überraschende Menschenangepasstheit der neuen "Virus-Chimäre" verstehen. Die Fledermäuse kämen gar nicht in der Gegend von Wuhan vor, seien nicht auf dem Markt von Wuhan angeboten worden und ein Zwischenwirt-Tier habe sich bisher nicht nachweisen lassen. Als wichtiges Indiz betrachtet er, dass ein Teil der Erstinfizierten keinen Kontakt mit dem Markt und seinen Produkte hatte. Wiesendanger nimmt an, dass eine heute verschwundene Mitarbeiterin des
Instituts (namens Huan Yan Ling) sich als erste - wohl schon im Oktober 2019 - mit dem neuartigen Virus im Labor infiziert habe und dies als Ausgangspunkt der Sars-Cov-2-Verbreitung zu betrachten sei.
Wiesendanger geht es darum, darauf hinzuweisen, dass die
"Wildtiermarkt-These" - obwohl unbewiesen - zu voreilig überwiegende
Geltung gefunden habe. In Hinsicht auf den Ursprung der Pandemie und "gegenwärtige und zukünftige Maßnahmen" sei es wichtig, auch der "Laborunfall-These"
nachzugehen. Im übrigen will er die Öffentlichkeit auf die
Gefährlichkeit der "Gain-of-function"-Forschung aufmerksam machen.
Zhengli Shi, führende Corona-Viren-Forscherin und Direktorin einer Abteilung des "Virologischen Instituts von Wuhan" (WIV) - als Teil der "Chinesischen Akademie der Wissenschaften" (CAS) eine Regierungseinrichtung! - hat den Verdacht, dass der Sars-Cov-2-Virus ihrem Forschungslabor entsprungen sei, scharf zurückgewiesen. Die WHO-Experten-Kommission brachte nach ihrem Besuch in China Anfang des Jahres in der Frage nach dem Ursprung des Virus keine neuen Erkenntnisse zurück und schließt sich dem verbreiteten Konsens an. Im Bericht
"Report of the WHO-China Joint Mission on Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) / 16-24.02.2021"
heißt es, es "scheine", dass das Ursprungsreservoir des Covid-19-Virus Fledermäuse seien, aber Zwischenwirte konnten noch nicht identifiziert werden. "Man glaube", frühe Fälle in Wuhan gingen auf eine "zoonotische (von Tieren herkommende) (Infektions-)Quelle auf dem Wuhaner Markt zurück. Auf die "Laborunfallthese" geht der Bericht nicht ein. Seltsamerweise werden im Anhang des Berichts das virologische Institut in Wuhan und der (geschlossene) Markt nicht als Besuchsorte aufgeführt. Wie aber Zeitungsberichte und Bilder belegen, hat zumindest ein Teil des Teams - unter ihnen der Leiter der nichtchinesischen Mitgliedergruppe, der Ernährungswissenschaftler Peter Ben Embarek, und der Zoologe Peter Daszak das Labor Zhengli Shis besucht und konnten auch mit ihr und ihren Mitarbeitern sprechen. Ob Ben Embarek und Daszak die geeigneten Männer waren, um kritische Nachprüfungen an Ort und Stelle vorzunehmen, kann man bezweifeln - wenn ihnen das überhaupt möglich gewesen wäre. Embarek beriet die chinesische Regierung in Ernährungsfragen und Daszak arbeitet eng mit Zhengli Shi zusammen. Natürlich wird die Forscherin bei dem Besuch alles unternommen haben, um ihr Institut im besten Licht erscheinen zu lassen. Eine Voreingenommenheit zu Gunsten Shis könnte auch daraus resultieren, dass ihr Institut Partnerschaften in aller Welt pflegt. So wurde die Fledermaus-Viren-Forschung von Partnereinrichtungen in den USA und Australien unterstützt, auch finanziell.
Nach Aussage Ben Embarek auf der Abschlusspressekonferenz am 09.02. in Wuhan hält die Kommission einen Laborunfall als Ursache des Covid-19-Ausbruches für "extrem unwahrscheinlich". In einem Interview mit "Science.mag" erläutert Ben Embarek diese Formulierung und fügt hinzu:
The fact that we assessed this hypothesis as extremely unlikely doesn’t mean it’s ruled out. ( Die Tatsache, dass wir diese Hypothese als äußerst unwahrscheinlich bewerteten, heißt nicht, dass sie ausgespielt hätte.)
Dabei sollte man beachten, dass bei der ganzen Mission und der Pressekonferenz "Politik im Raum war", chinesische Wissenschaftler sowie andere Teilnehmer der "gemischten" ("joint") Kommission angehörten und Mitglieder wie Ben Embarek und Daszak offizielle Beziehungen zu China hatten und als chinafreundlich gelten. (Im oben verlinkten Abschlussbericht werden beide seltsamerweise in der Teilnehmerliste nicht angeführt.) Die Kommission beklagt, dass China Daten zurückhält, was wohl auch die Frage nach der Rolle des Instituts schwierig macht. Im Bericht wird von einer "Wissenslücke" in Hinsicht auf die ersten Fälle gesprochen, deren "Ausgesetztsein" ("exposure") "nicht identifiziert werden konnte". Tatsächlich lässt die chinesische Regierung bei ihren Wissenschaftlern Forschungen zum Ursprung des Virus nicht unkontrolliert zu.
Ich bin nach der Durchsicht der "Studie" Wiesendangers nicht geneigt, in den Chor der Kritiker einzustimmen, sondern meine, dass angesichts der ungeklärten Frage nach dem Ausgangspunkt der Pandemie die Thesen und Recherchen Wiesendangers unvoreingenommen geprüft werden müssten.
24.02.2021: Corona-Politik am Scheideweg - Opportunismus oder verantwortliches Handeln? Politische Ethik in der Corona-Krise
Ich mache mir Sorgen. In zweierlei Hinsicht. Leserbriefe und Umfragen zeigen, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung die derzeit geltenden Maßnahmen zur Minimierung der Ausbreitung von Covid-19 nicht oder nicht mehr akzeptiert. Ich verfolge die Leserbriefe in verschiedenen Zeitungen. Was da an rücksichtslosen, gefühlskalten, schiefen und von mangelhafter Informiertheit zeugenden Argumenten vorgebracht wird, ist schon bestürzend. Da wird von "manipulierten Zahlen" geredet, die die Öffentlichkeit irreführen sollen, werden "Kollateralschäden" hervorgehoben, schwere Covid-19-Erkrankungen und Todesfälle aber ignoriert, wird der Nutzen des "Lockdowns" oder der AHA-Regeln bestritten, wird bezweifelt, ob es überhaupt noch Erkrankungen und Todesfälle gebe, da man ja davon nichts in der eigenen Umgebung merke usw. Ich frage mich: wieviel Ignoranz und mangelndes Gemeinschaftsbewußtsein verträgt eigentlich eine Gesellschaft? Ist für diese Bürger Demokratie wirklich die geeignete Regierungsform?
Nun, Politiker, die dem "Gemeinwohl" verpflichtet sind, müssen und sollten sich nicht an diesen Stimmen und Stimmungen ausrichten. Und da bin ich beim zweiten, was mir Sorge bereitet. Ich habe den Eindruck, dass einige unserer Politiker, Minister und Ministerpräsidenten dem Druck von Teilen der Bevölkerung und Lobbyisten nachgeben, opportunistisch handeln und nicht nach klaren, der Situation angemessenen Maßstäben. Haben diese Politiker ein zutreffendes Bild der Situation vor Augen? Handeln sie nicht nur nach wechselnden Zahlen und Befunden, sondern auch nach vertretbaren politischen Grundsätzen und ethischen Prinzipien?
Was ich sehe, ist, dass die Politik Menschen unrealistische Hoffnungen macht, mit Lockerungsplänen, die baldige Öffnungen versprechen, wobei aber nicht abzusehen ist, wie und wann sie stattfinden können, mit riskanten Öffnungen wie die von schlecht vorbereiteten und ausgestatteten Schulen, mit Hinweisen auf Impfungen und Schnelltests, die größere Freiheit und Normalität eröffnen sollen, was aber durch bestehende Umstände und Unsicherheiten zumindest vorerst nicht eingelöst werden kann.
Die Situation ist die, dass der derzeitige Shutdown (ein wirklicher "Lockdown" war es nicht) die Infektions- und Sterbezahlen deutlich gesenkt hat, sie nun aber stagnieren und wieder dabei sind zu steigen. Eine Trenwende zum Besseren ist nicht abzusehen. Die Ursache dürfte die schon weit fortgeschrittene Verbreitung neuer Varianten des Sars-Cov-2-Virus sein. Bei Lockerung der Restriktionen und zunehmendem Unwillen der Bevölkerung sich an Vorsichtsmaßnahmen zu halten, besteht das große Risiko, dass die Mutanten exponentiell anwachsen. Die sehr ansteckenden und sich schnell verbreitenden Varianten B.1.1.7, B.1.351. und andere schon im Umlauf befindliche Mutanten könnten zu einem "worst case" mit vielen Krankheitsfällen, Todesopfern, insbesondere bei den Risikogruppen, Folgegeschädigten, der Überforderung des Gesundheitssystems und weiteren wirtschaftlichen Schäden durch neue Lockdowns führen. Jedenfalls ist das die Befürchtung ernst zu nehmender Wissenschaftler, auch Mathematiker und Statistiker, die Hochrechnungen vorgelegt haben. Ein weiteres Risiko sind Überraschungen, die uns die Viren in Hinsicht auf neue Mutationen und nicht vorhersehbare Wirkungen machen können (siehe oben meine Darlegungen über den Umgang mit Viren zum 12.02.21). Das sich hinziehende Impfverfahren und nur begrenzt aussagefähige Schnelltests können die Risiken nur zum geringen Teil ausgleichen.
Wenn man diese Situation mit ihren Risiken und Unsicherheiten wahrnimmt und den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung will, vor allem den der Gefährdeten und auch der Uneinsichtigen, dann bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als eine Strategie zu verfolgen, die die Fallzahlen schnell und umfassend senkt. Im anderen Fall lässt man sich auf eine Art "Roulette-Spiel" ein, das noch verlustreicher ausgehen könnte, als das seinen Namen nicht verdienende "Krisenmanagement" im letzten Sommer. Angesichts der jetzigen "Lockerungsdebatte" frage ich mich, ob man denn aus den Vorgängen im letzten Jahr nichts gelernt hat und ob man wieder die gleichen Fehler machen will!
Neben der Wahrnehmung der Situation würde ich unseren Politikern empfehlen nicht nur auf die Stimmen aus der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Virologen, sondern auch auf philosophisch orientierte Autoren zu achten, die sich Gedanken über politische und ethische Handlungsgrundsätze in der Situation machen. Da sind zwei Aufsätze zu nennen, die Beachtung verdienen.
Lukas Tank, ZeroCovid - eine philosophische Verteidigung, Spektrum.de / Scilogs/18.02.21
Karen Horn, Kann ein Lockdown gerecht sein? Was John Rawls über Corona lehrt, NZZ.ch / Feuilleton, Webveröffentlichung 20.02.2
Der junge Hamburger Philosoph Tank begründet die Notwendigkeit im Sinne von "ZeroCovid" zu handeln mit dem "Vorsorgeprinzip" ("Precaucionary Principle"). Dieser Grundsatz ist in den 70-ziger Jahren angesichts der Gefahren des Klimawandels in Deutschland als zentrales Handlungsprinzip der Klimapolitik enstanden und hat sich weltweit verbreitet. Inzwischen ist er auf das Gebiet der Gesundheitspolitik ausgedehnt worden. 1972 wurde das Prinzip in das Europarecht aufgenommen und legitimiert Vorsorgemaßnahmen in komplexen und unsicheren Bedrohungsituationen. Leider spielt er als Handlungsgrundsatz zur Bekämpfung der Pandemie in Deutschland kaum eine Rolle.
Das ´Vorsorgeprinzip` ermöglicht Entscheidungsträgern Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, wenn bei einer Umwelt- oder Gesundheitsbedrohung die wissenschaftlichen Aussagen unsicher sind und ein hohes Risiko besteht (Europäisches Parlament, Think Tank).
Unter Rückgriff auf Differenzierungen des englisch-amerikanischen Moralphilosophen Henry Shue (*1940) - der vor allem durch Veröffentlichungen zu "Grundrechten" und "Klimaethik" bekannt wurde - sieht Tank die Bedingungen für die Anwendung des "Vorsorgeprinzips" in der derzeitigen Lage erfüllt. Es sei
eine Politik moralisch geboten, die sich an Strategien wie ZeroCovid oder No-Covid orientiert" oder zumindest "müssten die Maßnahmen so stringent wie möglich sein und darauf abzielen, die Fallzahlen so gering wie möglich zu halten. Alles andere wäre ein nicht zu rechtfertigendes Spiel mit dem Feuer – oder in diesem Fall: mit Hunderttausend oder noch mehr Menschenleben.
Die Wirtschaftschaftsjournalistin Karen Horn greift auf Grundsätze des US-amerikanischen Philosophen John Rawls (1921-2002) zurück, der mit seinem "Gerechtigkeits"-Verständnis großen Einfluss auf die politische Philosophie des 20. Jahrhunderts ausübte. Rawls sieht eine für alle wählbare "Gerechtigkeit" dann in einer Gesellschaft erfüllt, wenn:
Jede Person den unabdingbaren Anspruch auf das umfassendste System gleicher Grundfreiheiten hat, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist. Und: Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen. (Justice as Fairness, §13)
Das ist ein sehr demokratischer Ansatz. Karen Horn zieht Folgerungen für die gegenwärtige Corona-Diskussion aus dem Rawlsschen Ansatz: er schütze "legitime individuelle Interessen davor, kollektiver Vorteilhaftigkeit zum Opfer zu fallen" und mache die Frage unnötig, "ob die Lockdown-Massnahmen gerecht und die dank ihnen gewonnenen Lebensjahre der nicht erkrankenden Menschen tatsächlich höher zu bewerten sind als die Schäden infolge von Vereinsamung und wirtschaftlichem Ruin." Unabhängig von jetzigen Zustand und unparteiisch betrachtet könne jeder in die Situation kommen, dass er "sowohl Risikopatient als auch Single und Unternehmer sein kann. Gerecht ist eine Konzeption, der nicht nur zugrunde liegt, wer und was wir sind, sondern auch, wer und was wir sein könnten."
Offenbar ist das ein vorsichtiges Plädoyer für das Recht der "Vulnerablen" auf Berücksichtigung ihrer Interessen auf Nicht-Ansteckung (wobei
das Recht der Lockdown-Geschädigten aber auch beachtet wird - was ja de-facto durch staatliche Unterstützungen geschieht). Orientierung am "Gemeinwohl" kann jedenfalls nach diesem Ansatz nicht darin bestehen, die "Schwächsten" zu opfern. Das wäre "utilitaristisch" gedacht, d. h. am Grundsatz des "größtmöglichen Nutzens für alle" auf Kosten einzelner orientiert. Das utilitaristische Konzept ist keine Basis für für eine humane Ethik und einem solcher Ethik verpflichtetem politischem Handeln.
"Querdenker" könnten sich allerdings nach dem Rawlsschen Ansatz auf das "unabdingbare" Recht auf Grundfreiheiten berufen. Bei näherem Zusehen entzieht sich diese Berufung aber die eigene Grundlage. Deshalb möchte ich die Argumentation Karen Horns ergänzen.
Henry Shue sieht als die Basis aller Grund- und Freiheitsrechte das Recht auf (persönliche) "Sicherheit" (Unverletzlichkeit) und "Leben" (Lebensunterhalt / Lebensrecht) an ("Security and subsistence are basic rights").
Niemand kann, wenn überhaupt, ein Recht genießen, das angeblich von der Gesellschaft geschützt wird, wenn ihm das Wesentliche für ein einigermaßen gesundes und aktives Leben fehlt ... Wenn Tod und ernsthafte Krankheiten durch soziale Maßnahmen verhindert werden können ... schließt der Schutz jeden anderen Rechtes die Vermeidung von zum Tode oder zur Schwächung führenden Mängeln ein ... Ein fundamentaler Zweck bei der Anerkennung der Basis-Rechte ist, dass wir ´die Seite der Opfer`oder die Seite der möglichen Opfer einnehmen. ("Basic Rights", 1996, S. 24 f., 33)
Alle anderen Rechte bauen auf diesen Basis-Rechten auf; es gibt kein "Genießen" ("enjoy") anderer Rechte, wenn diese Rechte nicht gesichert ist. Wer das Lebensrecht Gefährdeter mit der Berufung auf andere Rechte in Frage stellt, verfängt sich in einem Widerspruch und verwirkt moralisch das Recht Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen. (Schade, dass "Querdenker" das nicht bemerken!).
Shues Reflexionen gewinnen ihre Schärfe vor dem Hintergrund US-amerikanischer Verhältnisse, aber als Handlungsorientierung sind sie auch für uns in der Corona-Krise wegweisend. Sie ergänzen sich mit dem "Vorsorgeprinzip" im Falle der Bedrohung des Basisrechts auf Lebens- und Gesundheitsschutz.
Man muss nicht unbedingt zu philosophischen Erörterungen greifen, um zu dem zu kommen, was Shue ausführt. Auch im deutschen Grundgesetz steht das Grund-Recht auf Lebensschutz und Sicherheit an vorderster Stelle, noch vor dem Grundrecht der "Freiheit der Person":
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art.2,2)
Es ist unbedacht und schief, wenn man beklagt, die Grundrechte seien aufgehoben, wenn zugunsten dieses fundamentalsten Grundrechts andere einschränkt werden. Das nebenbei und dann zur Hauptsache.
Ich wünsche mir, dass unsere Politiker und sonstigen Verantwortlichen nicht zwischen Zahlen, Forderungen und Stimmungen hin und herschwanken, sondern sich in ihrem Handeln vor allem anderen auf ethische Grundsätze beziehen, wie sie das Grundgesetz vorgibt und nun auch im philosophischen Diskurs angemahnt werden. Natürlich müssen sie zwischen den verschiedenen Stimmen und Interessen abwägen und entscheiden, aber das gäbe ihnen Halt und grundlegende Orientierung.
Ergänzend will ich noch hinzufügen, dass unter den hier entwickelten ethischen Gesichtspunkten die Änderung der Impfreihenfolge zugunsten weniger Vulnerablen und Ungleichheiten durch geplante Immunitätsbescheinigungen wie eine Impf-App bedenklich erscheinen (so auch dem "Deutschen Ethikrat"). Sie sind deutlich in partiellen Interessen begründet oder gehen auf Pressure Groups zurück.
Ich bleibe dabei: erfolgreich und dauerhaft kann Covid-19 nur durch Maßnahmen bekämpft werden, die die Infektionsketten durch Kontaktvermeidung unterbrechen, solange bis die Infektionen gegen Null gehen (siehe oben unter 12.02. "Von Viren ..."). Statt irreale Ausstiegspläne zu fabrizieren, müsste erst einmal ein erfolgversprechender Aktionsplan erstellt werden, wie man aus dem Infektionskarusell herauskommt. (Man macht doch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten!) Das hätte schon längst geschehen können. Erst wenn die Ansteckungsgefahr ganz gering ist, kann man beginnen risikoarm zu öffnen. Eventuell könnte man dabei bei unterschiedlichen Lagen regional und zeitlich abgestuft vorgehen. Dies wird nicht ohne Abschließungen gehen. Man sage nicht, das sei nicht möglich: in Australien wurde es uns vorgemacht (siehe oben unter 20.01 und 14.02.21) und in Europa wird es seit einiger Zeit in Katalonien praktiziert. Der Gesundheitsökonom Stephen Duckett - einer der Architekten der australischen No-Covid-Politik - sieht durchaus die Möglichkeit, dass Deutschland zu "Zero Covid" kommen kann. Er rät:
Fangt einfach da an, wo es geht. Fangt an und schaut mal. (Zeit Online 25.02.21)
Natürlich sehe ich die Folgeschäden weiterer rigoroser Maßnahmen: Was die wirtschaftlichen Schäden betrifft sehen Fachleute - entgegen Lobbyisten verschiedener Wirtschaftszweige - die Beeinträchtigungen durch eine Dauerkrise größer sind als bei einem absehbaren Ende der Krise durch zeitweilige harte Einschränkungen. Lukas Tank:
Zu nennen ist hier
die Erkenntnis der Forschung, dass „Corona-Schäden abwenden“ und
„wirtschaftliche Schäden verhindern“ in einem stärkeren Maße
zusammenfallen kann als von manchen vermuten.
Lockerungen? "Bei der jetzigen Lage spricht alles dagegen, wir machen´s aber trotzdem!"
(Motto deutscher Ministerpräsidenten ?)
Natürlich wünsche ich mir wie andere eine Beendigung der Einschränkungen und baldige Öffnungen. Sie sind aber derzeit einfach nicht opportun. Simulationen zeigen, dass wir "am Scheideweg zur dritten Welle" stehen könnten, verursacht durch die Variante B.1.1.7 und vielleicht noch anderen Mutanten. - wenn nicht auf Lockerungen verzichtet wird (Tagesspiegel.de 27.02.21) Vielleicht sollte man nicht von "Welle" reden, sondern von einer drohenden neuen Pandemie. Auch das neue Stufenkonzept des RKI "ControlCovid" (siehe weiter unten) ließe Öffnungen nur in wenigen Landkreisen Deutschlands zu.
Wenn unsere Politiker meinen, dem Druck von Teilen der Bevölkerung, wirtschaftlich Betroffenen und Lobbyisten nachgeben zu müssen, dann bitte aber verantwortbar-begründet, kreativer und gerechter als bisher, nicht nach dem Zufallsprinzip oder dem stärksten Lobbydruck. Öffnungen bestimmter Geschäfte und Einrichtungen mit wirksamen Hygienekonzepten (in Regionen mit niedriger Infektionsdichte) wären an sich gar nicht so problematisch, das Problem ist die Disziplinlosigkeit von Menschen! Deshalb müssten die Behörden unbedingt striktere Kontrollen vornehmen als bisher. Da habe ich große Bedenken! Selbst bei dem jetzigen Lockdown wurde in unserem Wohnort - meinen Beobachtungen nach - erst nur nachlässig und dann gar nicht mehr kontrolliert. Im letzten Jahr haben hier manche Gastwirte die Bestimmungen sehr lässig gehandhabt, ohne dass Folgen für sie eintraten, was aber vermutlich Folgen für einige Gäste hatte.
So wie es jetzt aussieht, befürchte ich, dass unsere Politiker einen großen Fehler machen werden, der viele Menschenleben kosten könnte. Beraten von kompetenten Fachleuten müssten sie es besser wissen als Teile der Bevölkerung, die die Gefahren ahnungslos oder bedenkenlos ignorieren. Die Erinnerung an die Verantwortung der Politik für das über Einzelinteressen stehende gesundheitliche Wohl und Leben von Bürgern, wie sie derzeit journalistische Wissenschafts-Autoren vornehmen, erfolgt zu Recht.
26.02.2021: Vorbeugende Mittel gegen Ansteckung
Zur Abwechslung einmal etwas Praktisches. Ich habe mich damit beschäftigt, was zur Vorbeugung gegen eine Ansteckung nützlich sein könnte - zusätzlich zu den AHA-Regeln. Ich habe folgendes gefunden, was Anhalt in wissenschaftlichen Untersuchungen hat. Die zitierte Quelle wird auch durch andere Fach-Veröffentlichungen bestätigt. Quelle: Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene
Die Wirksamkeit von Vitamin D und Vitamin-Mineralstoffmischungen gegen eine Corona-Viren-Infektion ist bisher nicht nachgewiesen. Die Einnahme kann unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Wissensstand zur viruziden Wirksamkeit von Gurgeln und Nasenspray
In vitro Wirksamkeit
Für folgende Formulierungen ist die Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 in vitro nachgewiesen: Nasenspray auf Basis von Carragelose und PVP-Iod > 0,23%; Mundwässer auf Basis ätherische Öle, Dequaliniumchlorid und Benzalkoniumchlorid (Dequonal), Phenoxyethanol + Octenidin (Octenisept), Ethanol + Ethyllaurylarginat und zwei Mundwässer auf Basis von Cetylpyridiniumchlorid. Für Mundwässer auf Basis ätherischer Öle konnte mit Alkoholgehalt (Listerine Cool Mint oder Listerine Advanced) als auch ohne Alkoholgehalt (Listerine Cool Mint milder Geschmack) eine komplette Inaktivierung von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden ... Dagegen waren Mundwässer auf Basis von Wasserstoffperoxid, Polihexanid, Chlorhexidin oder Octenidin (letzteres ohne die Kombination mit Phenoxyethanol) nicht ausreichend wirksam. Auch Grüner Tee, Granatapfel- und Aroniasaft sind viruzid wirksam gegen verschiedene Erreger respiratorischer Infektionen, die Wirksamkeit ist allerdings geringer als bei den o.g. Mundwässern. Die Infektiosität von SARS-CoV-2 wird nach 1 min Einwirkungszeit durch Grüner Tee und Granatapfelsaft um 80 %, durch Aroniasaft um 97% gesenkt. Für Salbeiextrakt ist die Wirksamkeit gegen Grippe- und andere Coronaviren nachgewiesen; damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 gegeben.
Für Deutschland abgeleitete Empfehlungen - Für die Bevölkerung
A) Gurgeln Kochsalz: Einen gestrichenen Teelöffel Kochsalz in 100 ml lauwarmem Wasser lösen. Etwa Menge eines Schnapsglases in den Mund nehmen, jeweils vor dem Einatmen Gurgeln unterbrechen und Vorgang etwa 3 min lang wiederholen; mind. morgens und abends, falls möglich, 3-mal/d; Gurgellösung nicht herunterschlucken.
Grüner Tee: Zum Gurgeln lauwarm abkühlen lassen.
Granatapfel- und Aroniasaft: Weil hier bisher nur in vitro Ergebnisse zur Wirksamkeit vorliegen, sind Kochsalzlösung und grüner Tee zu präferieren.
Ätherische Öle: Mundwässer unverdünnt anwenden. Auf Grund der hohen in vitro Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 und der Senkung der Viruslast bei SARS-CoV-2-Infizierten sind Mundwässer auf Basis ätherischer Öle anstatt der vorgenannten Möglichkeiten zu favorisieren. Es sind keine Langzeitnebenwirkungen bekannt. Für Kinder, Personen mit Alkoholunverträglichkeit und Personen mit besonderer Schleimhautempfindlichkeit sollte anstelle der Kombination von ätherischen Ölen mit Alkohol (Listerine Cool Mint) die Formulierung ohne Alkohol (Listerine Cool Mint milder Geschmack) eingesetzt werden.
B) Nasenspray - Kochsalz: Unkonservierte Produkte ohne Zusatz abschwellender Mittel (z.B. Hysan® Salinspray® oder Rinupret®); bei Ansetzen zu Hause (s.o.) Lösung durch Einatmen in die Nase einziehen.Carragelose: (Algovir® Erkältungsspray), wegen höherer Wirksamkeit im Vergleich zu Nasensprays auf Basis von Kochsalz zu bevorzugen.
Ergänzung: Wirksamkeit im Racheraum gegen Corona-Viren wird auch von viruziden Rachensprays erwartet ( z. B. Viruprotect, jetzt Stada Protect).
27.02.2021: Schnelltests - die neue Hoffnung? Empfehlungen des RKI zu "Stufenplänen" - wegweisend?
Die neue "Hoffnung" der Politiker sind frei zugängliche Schnelltests, die womöglich kostenlos erhältlich sein werden. Damit soll sich die Bevölkerung "freitesten" können. Sie stehen noch nicht zur Verfügung. Wie beim Impfen ist zunächst Knappheit und ein Verteilungschaos zu erwarten. (Koordinierte und effektive Organisation ist wohl nicht die Stärke unserer Regierungen und Ministerien.) Anzunehmen, dass mit dieser Art der Testung die zentrale Aufgabe, die Ausbreitung des Virus zu stoppen, gelingt, ist illusorisch, im Gegenteil! Solche Tests sind unsicher, bieten nur eine Momentaufnahme und bergen die Gefahr der unsachgemäßen Handhabung in sich. (Besser
wäre - wie in anderen Ländern praktiziert - dass jeder die Möglichkeit hat sich
professionell schnell und kostenlos testen zu lassen.) Die privaten und inoffiziellen Schnelltests sind ein Pseudo-Alibi für Öffnungen und befördern damit Ansteckungsmöglichkeiten. Offenbar versuchen Politiker im Wahljahr auch mit dieser zweifelhaften "Strategie" der Stimmung in der Bevölkerung entgegenzukommen.
Das RKI hat Empfehlungen zu einer differenzierteren Strategie veröffentlicht:
"Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021 - ControlCovid"
Die "Handreichung" richtet sich vor allem an lokale und regionale Entscheidungsträger, denen es die "evidenzbasierte" Vorlage für eigene "Stufenkonzepte" liefern soll. Damit könnte auf besondere Verhältnisse in begrenzten Räumen reagiert werden.
Das Wichtigste in der Vorlage ist ein "Intensitäts-Stufenkonzept" mit vier Stufen, von einem 7-Tage-Inzidenzwert von mehr als 50 bis zu einem Wert von 10 und darunter, der als zu ereichende "Basisstufe" bezeichnet wird. Andere Werte wie die verfügbare Kapazität der Intensivbetten kommen hinzu. Auf Grund einer "Toolbox" wird das Infektionsrisiko bei einzelnen "Settings" wie Altenheime, Gastronomie usw. beurteilt. Ziel ist, den Entscheidungsträgern Handlungsempfehlungen auf den einzelnen Stufen anzugeben. Selbst in der höchsten Intensitätsstufe wird bei den meisten ansteckungsintensiven Settings wie "Bars / Clubs" nur "Schließung erwägen" empfohlen. Die örtlichen oder regionalen Verantwortlichen müssen also selbst entscheiden, welche Maßnahme sie treffen wollen. Dies halte ich für riskant: es könnte zu sehr unterschiedlichen Regelungen in einzelnen Räumen führen und auch zu unsachgemäßen oder willkürlichen Entscheidungen. Mobilitätseinschränkungen und Gebietsabschließungen werden auch auf der höchsten Intensitätsstufe nicht vorgeschlagen. Mit der Fluktuation von Menschen von einem Gebiet in das andere wandern aber die Viren mit. Auf diese Weise können erreichte Erfolge in einem Gebiet zunichte werden. Was ich auch vermisse, sind Leitlinien für das Zusammenwirken von regionalen und überregionalen Maßnahmen, denn Pandemie-Bekämpfung läßt sich ja nicht nur kleinräumig durchführen. Das erklärte Ziel
die Zahl der schweren Erkrankungen, Langzeitfolgen, und Todesfälle durch COVID-19 zu minimieren und eine Überlastung des Gesundheitssystems nachhaltig zu vermeiden,
wird so nicht erreicht werden. Auch hier fehlt ein erfolgversprechender, ausgeführter Aktionsplan, wie dieses Ziel zu erreichen sei. (Ein solcher dürfte nicht nur für eine Region, sondern müsste auch übergreifend entwickelt werden.) Als "Empfehlungen zu Basismaßnahmen" werden die bekannten Mittel der individuellen Vorsicht wie Maskentragen, Abstandhalten usw. und allgemeine Maßnahmen wie "Fallidentifikation und Fallisolierung" angegeben, ohne einen klaren Weg der Realisierung zu beschreiben. Trotz des Vorschlags von "proaktiven Schließungen" werden die offen gehaltenen Handlungsempfehlung Entscheider dazu verleiten im "Nachhinein" zu reagieren, also das "Vorsorgeprinzip" zu mißachten und eine Schwäche der bisherigen deutschen Corona-Politik fortzusetzen.
Nun gut, es handelt sich um "Empfehlungen", wie es der Aufgabe des RKI entspricht. Umsetzungen und konkrete Festlegungen sind Aufgabe der Politik, regional, landes- und bundesweit. Da wird man abwarten müssen, was aus diesen Empfehlungen wird. Aber man hätte doch entschiedenere Vorschläge erwarten können. Die Empfehlungen enthalten sicher nützliche Erkenntnisse, etwa in der "Toolbox", obwohl auch hier manches nicht gesichert ist. Letztlich steht auch dieses Konzept unter dem Blickwinkel von "Überlegungen zu Öffnungsstrategien und Stufenplänen" und dient sich somit dem gegenwärtigen Trend der Politik an. Das Papier des RKI erfüllt nur begrenzt Konsequenzen, die aus den Warnungen seines Präsidenten vor einer "dritten Welle" gezogen werden müssten.
04.03.2021: Der 5-Stufen-Plan der Bundesregierung und der Länder - Ein "Strategiewechsel"?
Ein
kompliziertes Gefüge an Lockerungen, Verschärfungen und Hygienemaßnahmen wird
an „Inzidenzwerte“ gekoppelt. Wer soll da durchblicken, wann was wo und unter welchen Bedingungen geöffnet ist? Chaotisch! Nach wie vor bleibt die Frage, ob es überhaupt zu weitergehenden Lockerungen kommen kann.
Die Fixierung auf einmal höher, dann niedriger gesetzte Inzidenzwerte führt nicht zu einer grundlegenden Änderung des Infektionsgeschehens. Das Versprechen, dass mit dem Plan ein "Weg" zur Normalität" eröffnet sei, ist illusorisch, es handelt sich eher um einen Weg in die "dritte Welle" und dem nächsten Shutdown. Wieder fehlt es an einem erfolgversprechenden Aktionsplan, der beschreibt, wie man aus dem sich erneut drehenden Infektionskarussell herauskommen könnte. Auch der Ansatz dazu, durch Impfungen und Testungen eine Wende zu erwarten, ist angesichts der Mängel bei der Versorgung, Beschaffung und Organisation unzureichend. Mit diesem Plan kann nur das Virus zufrieden sein!
Die in Deutschland und anderen europäischen Länder verfolgte Politik der „Mäßigung“ ist in ein Dilemma geraten. Der einzige Weg daraus wären unter vernünftigen, wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten die Konzepte „No Covid“ und das radikalere „ZeroCovid“. Aber die deutsche Politik zieht riskantere Projekte vor.
Wieder einmal bleibt nur der Rückzug auf die Selbstverantwortung und die Hoffnung auf den Schutz durch die Impfung. Aber die meisten von uns haben noch eine längere Strecke der Gefährdung vor sich.
13.03.2021: Corona-Träume
Vorgestern wurde ich zum zweiten Mal geimpft. Außer einem gewissen Schlappheitsgefühl keine weiteren Nebenwirkungen.
Heute Nacht hatte ich einen Traum.
Meine Frau und ich halten uns in einem Haus mit eisernen Gittertüren und breiten Glasfenstern auf. Draußen tobt ein wilder Mann und versucht in das Haus einzudringen. Ich verschließe die Gittertüren mühsam mit Vorhänge-Schlössern, es bleiben aber Lücken. Der Mann macht mich höhnisch darauf aufmerksam. Dann hebelt er eines der Fenster aus den Angeln. Es bleibt auf einem Sims stehen. Der Mann verzieht sich schimpfend. Als ich das Fenster ergreife, fällt es außen auf den Boden und zerbirst in viele Scherben. Ich schimpfe: "Das wird er mir bezahlen." Meine Frau beruhigt mich: "Es gibt Schlimmeres. Das Fenster lässt sich ersetzen."
Ich deute den Traum auf die Bedrohung durch den Sars-Cov-2-Virus und den (begrenzten) Schutz, den ich durch die Impfung erhalten haben. Ich empfinden es tatsächlich als Glück, dass ich geimpft bin, bedaure aber sehr, dass meine Frau noch nicht dran ist.
Ich erhalte ein Video aus Gold Coast (Queensland / Australien). Bei uns herrscht schlechtes und kaltes Wetter, dort ist es Sommer, blauer Himmel mit rötlichen Wolken am Horizontende, die Sonne geht gerade über dem Meer unter. An der sommerlich-knappen Kleidung der am und auf dem breiten Sandstrand spazierenden Menschen sieht man, dass es warm sein muss. Im Wasser Surfer. Auf der von hohen Palmen und blühenden Büschen umstandenen Strandpromenade flanieren Reihen von Menschen, vor Pubs stehen chic aufgemachte junge Frauen und Männer, unbeschwert gestikulierend, lachend, sich unterhaltend, Social Distancing scheint sie wenig zu kümmern. In Außenanlagen von Gaststätten sitzen kleine Gruppen um Tische, heben Gläser und bedienen sich von Tellern. Ein Straßenmusikant hat seine Verstärker aufgebaut, spielt Gitarre und singt. Auf den Gesichtern sehe ich keine Masken.
Auch ein Traum, wenn man sich unsere Verhältnisse hier vor Augen hält: leere Straßen, Gaststätten geschlossen, die wenigen vermummten Menschen weichen voreinander aus.
Glückliches Australien!
Ich habe eine Zusammenfassung meiner Covid-19-Recherchen und Ansichten zum Corona-Geschehen geschrieben:
Covid-19 fordert die Menschheit
heraus – Wer wird siegen? Ein Zwischenresümee zum Corona-Infektionsgeschehen,
Krisenmanagement und zur politischen Ethik
Da dieser Blogpost hier kaum gelesen wird, habe ich den Versuch gemacht mehr Öffentlichkeit zu bekommen und den Artikel an Zeit Online (als Leserartikel) und SciLogs (als Gastartikel) geschickt. Vergebens, nach einer Woche keine Antwort. Also veröffentliche ich den Artikel wieder selbst, als eigenen Blog (Link!).
Damit mache ich vorerst Schluss mit meiner Corona-Chronik. Kurze Statements zur Thematik bringe ich ab jetzt auf meinem neuen Twitter Account @lobo_w_j
Im Online-Magizin "Telepolis" wurde ein Artikel von mir "Wenn Meinungsvielfalt destruktiv wird" veröffentlicht.
Am 19.10.21 erschien in "Telepolis" mein Artikel: (1) "Corona-Maßnahmen - was bringen Masken in der Schule?" (2) "Corona-Pandemie: Virologen und Pädagogen müssen gleichermaßen gehört werden"
19.07.2022: Rückblick auf zweieinhalb Jahre Pandemie
Nun hat es uns also doch noch erwischt, trotz aller Vorsichtsmassnahmen: eine Woche Covid-19. Die ersten 5 Tage waren schlimm. Dann trat Besserung ein. Dass die Krankheit trotz unseres Alters glimpflich verlief, führen wir auf die vollständige Impfung zurück. Geblieben ist Müdigkeit, hoffentlich nicht mehr.
Vorausgegangen war die Geburtstagfeier einer Freundin in einem geschlossenen Restaurantraum, ohne Abstände, Maskenschutz. Einer Teilnehmerin wurde schlecht und sie verließ die Feier. Angeblich hatte sie eine "Sommergrippe". Der größte Teil der Anwesenden wurde angesteckt, vor allem die neben ihr Sitzenden. Tests brachten Klarheit: Corona. Die Superspreaderin und ihr Mann verleugnen bis heute, dass sie wahrscheinlich die Infektionsquelle waren.
Wir hatten von vorneherein ein ungutes Gefühl bei der Teilnahme. Aber aus Rücksicht auf unsere Freunde fügten wir uns dem unvorsichtigem Arrangement. Bei einer Feier im Freien, mit angemessenen Abständen, zeitweiligem Maskentragen, hätten wir uns wohl eine Woche Leiden ersparen können. Die Pandemie ist eben nicht vorbei. Dadurch, dass Menschen keine Lust mehr auf Vorsichtsmaßnahmen haben, ist sie nicht beendet. Und die Ansteckung verläuft nicht immer glimpflich, unsere Geburtstagfreundin war ziemlich heftig und länger erkrankt.
Geschehen ist dies in Spanien. Mit Rücksicht auf den Tourismus hat man dort fast alle Präventivmassnahmen aufgehoben, trotz steigender Infektionszahlen, Krankenhauseinweisungen und Todesfällen. Bei Infektionen gibt es keine Isolations-, Test-, Masken, Meldepflicht, auch keine Kontaktverfolgung mehr. Alles nur Empfehlungen. So laufen die Infizierten unter dem Deckmantel der "Sommergrippe" herum und verbreiten das Virus. Marktkonforme Gesundheitspolitik! Im Herbst kommt dann wieder die große Maßnahmenkeule, zu spät!.
Für die meisten Menschen und die Politik in Europa hat offenbar Corona seinen Schrecken verloren. Das hängt wohl mit den Impfungen und dem meist leichten Verlauf der Infektionen mit den derzeit vorherrschenden Virusvarianten BA4 und 5 zusammen. Dass man sich nicht täuscht! Das Virus und seine Entwicklung ist unberechenbar!
Der deutsche Justizminister verspricht unvorsichtigerweise "Nie mehr Lockdown", höchstens noch Maskenpflicht in bestimmten Bereichen. Die frühen Massnahmen seien überzogen und teilweise unwirksam gewesen. Eine statistisch und wissenschaftlich nicht haltbare Annahme. Man vergleiche nur einmal die hohen Todeszahlen in den USA unter Trump mit seiner Verharmlosungspolitik und die geringen in Australien unter den regiden Zero-Covid-Massnahmen.
Nach wie vor haben die europäischen Regierungen kein sinnvolles und wirksames Pandemiekonzept, auch für eventuelle andere Seuchen als Corona. Man lässt die Dinge laufen und reagiert nicht präventiv, sondern von Fall zu Fall, meist zu spät. Wissenschaftliche Empfehlungen sind längst an den Rand gerückt. "Querdenken"-Positionen haben sich durchgesetzt, trotz der offiziellen Verfehmung der Bewegung. "Mit dem Virus leben", heißt die Parole und das bedeutet: die "Durchseuchung" zulassen, Opfer und Folgen ignorieren. Hauptsache: die Geschäfte laufen und die Bevölkerung hat ihre Vergnügungen. Das ist eine gesundheitspolitisch und ethisch unverantwortliche Position. Angemessen mit dem Virus leben, müsste heißen: die Entwicklung der Pandemie wahrnehmen, präventiv die notwendigen Mittel zur Eingrenzung der Ausbreitung des Virus bereithalten und rechtzeitig mit wirksamen Massnahme eingreifen. Nichts dergleichen ist abzusehen! Und so stolpern wir auch in diesem Bereich in eine unsichere und gefährdete Zukunft hinein. Wieder einmal tun sich Menschen und Politik schwer aus Fehlern zu lernen, Vernunft und solidarisches, schadenverhinderndes Verhalten walten zu lassen.
Hinweise zum Post:
Ich erlaube als Autor ausdrücklich die öffentliche Verbreitung dieses Artikels oder einzelner Teile davon, soweit ich das Urheberrecht habe - wobei ich die Quellenangabe als selbstverständlich voraussetze.
Für das Gespräch mit "Corona-Leugnern" und Impfgegnern sowie zur eigenen Vergewisserung haben "Die Tageszeitung" (TAZ) und die Kampagnen-Organistation "Campact" ein Dossier zusammengestellt: "corona-fakten". Es kann kostenlos bezogen werden unter: www.campact.org/corona
Gelesen werden kann es auch unter diesem Link.
Ich unterstütze die Aktion/Petition von Campact/we act: "#ZeroCovid"
Ich persönlich gebe die Hoffnung nicht auf, (einige) Realitäts- und Corona-Leugner von unhaltbaren Parolen und ihrer virusfreundlichen Haltung abzubringen und bemühe mich deshalb um eine gemäßigte Ausdrucksweise. Wenn Du aber einmal eine drastische und trotzdem faktenunterlegte Abrechnung mit der Anti-Corona-Maßnahmen-Gefolgschaft lesen willst, dann klicke diese Website an.
Vorausblick:
Im nächsten Artikel befasse ich mich mit dem "Pippi-Langstrumpf-Syndrom - Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt" (inzwischen eingestellt).
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